Steyrer Tagebuch Nummer 0, März 1982
KOLUMNE Walter Wippersberg VOM WEHRGRABEN, VOM SCHMÄHFÜHREN UND VOM DEMOKRATIEVERSTÄNDNIS ' Schrnähführen gehört zum politi– schen Geschäft, no na. Was macht etwa ein Bürgermeister, wenn er etwas will, was ein Teil der von ihm verwalteten Bürger partout nicht will? Nun ja, er tut so, als könne er gar nicht anders wollen, als er eh will. Wenn er etwa das Wehrgrabengerinne zuschütten will, dann erklärt er, es gebe gar keine _andere Möglichkeit, und beruft sich dabei auf einen Wasserrechtsbescheid. Daß dieser Bescheid aufgehoben werden kann, wenn der Gemeinde– rat und der Reinhalteverband das nur beantraeen, das sagt der Bürgermeister lieber nicht. Ein Schmäh also, der nicht ein– mal so schlecht, aber so gut auch wieder nicht ist, weil durchschaubar. Was macht ferner ein Bürger– meister, wenn seinem Zuschütt– Willen u.a. ein vorn Wissen– schaftsministerium in Auftrag gegebenes Gutachten entgegen– steht, das zum Schluß kommt, das Wehrgrabengerinne dürfe keinesfalls zugeschüttet wer– den? Nun ja, in so einem Fall kündigt der Bürgermeister, zu– erst noch vage formuliert, ein Gegengutachten an. Später wird, hast du's nicht gesehen, ein Architektenwettbewerb draus. Und der geht vorn Zuschütten aus. Könne nur vorn Zuschütten aus– gehen, behauptet der Bürger– meister, die Bescheidlage (siehe oben!) sei nun einmal so. Ein aus dem ersten Schmäh abgeleiteter zweiter Schmäh also. Als solcher durchschau– bar, weil der Bürgermeister diesen Wettbewerb als ein Ge– gengewicht zum Wissenschaftler– Gutachten darzustellen ver– sucht. Das heißt aber Unver– gleichbares vergleichen: Im einen Fall ist die Forderung nach dem Offenhalten ein Er– gebnis der Arbeit, im anderen Fall steht das Zuschütten schon in der Ausschreibung. (Derart erspart sich der Bür– germeister Enttäuschungen, -Z.o- denn es könnte ja sein, daß auch die Architekten fürs Of– fenhalten plädierten, und wie st ünde er dann da, der Bürger– meister?) - Ein sogenannter Einser-Schmäh. Der dritte Schmäh hingegen stammt aus dem untersten Schubladl, und dort wäre er besser auch geblieben. Als das mit dem Architektenwettbewerb offenbar nicht so lief, wie der Bürgermeister das gern gehabt hätte, da ließ er im "Amts– blatt" den staunenden Bürgern verkünden: "Ich habe vergeb– lich versucht, oberösterreichi– sche Architekten für diesen Wettbewerb" (gemeint ist wohl die Ausschreibung desselben) "zu gewinnen, die sich zwar um das zu vergebende Projekt be– müht haben, dann aber aufgrund telefonischer Interventionen zurückgescheut sind." Darüber zeigte sich dann der indirekt angesprochene Obmann des oö. Architektenvereines, Dipl.Ing. Gerhard Hinterwirth, sehr erstaunt. Er wisse, so erklärte er den "Oberöster– reichischen Nachrichten", nichts von solchen Anrufen und habe im übrigen recht plausible Erklärungen für die Verzögerung der Ausschreibung, so etwa habe die Stadt Steyr einen Schichtlinienplan des Wehrgrabengebietes noch nicht beigestellt. Der Steyrer Bürgermeister hin– gegen spricht weiter von "Pression" und will die Hinter– männer dieser (laut Architek– tenvereins-Obmann gar nicht er– folgten) telefonischen Inter– ventionen auch schon ausge– macht haben, es sind - im Bür– germeister-Original to~ ''Einzel– gänger, die ihre persönlichen Interessen wohlweislich nicht in den Wehrgraben legten." Dieses ist, mit Verlaub, ein höchst infamer Schmäh, einer aus dem alleruntersten Ladl eben: Man behauptet einen zwar nicht kriminellen, moralisch aber doch anfechtbaren Tatbe– stand; man tut so, als kenne man auch die "Täter", nennt ihre Namen aber nicht, sondern ergeht sich in vagen und gleichzeitig doch recht kon- kreten Andeutungen; sie sind konkret genug, daß viele Stey– rer wohl ahnen, wer da gemeint ist, sie sind aber auch so vage, daß man im Einzelfall im– mer noch behaupten kann, der oder der sei natürlich nicht gemeint gewesen; jenen Leuten, die auf diese Weise diffamiert werden, wird damit jede Möglich– keit genommen, sich zu wehren. Herr Bürgermeister belieben Un– tergriffe und Tiefschläge anzu– wenden (derselbe Mann übrigens, der sich so wehleidig über je– den Angriff auf seine Person be– klagt). Oft und gern redet dieser Mann von "demokratischen Grund– sätzen", von "unseren demokra– tischen Auffassungen". Was da– rin alles unterzubringen ist, das ist - siehe oben! - schon erstaunlich. Manchmal entlarvt ein Zitat mehr, als jede Erläuterung es könnte. Zum Beispiel dieses: Laut Steyrer "Amtsblatt" hat der Steyrer Bürgermeister ein– mal wörtlich gesagt: "Wir wer– den auch - und das gebietet eine moderne Gemeindepolitik und Demokratieauffassung, Bür– germeinungen zu berücksichti– gen haben, allerdings auch hier nach den demokratischen Grundsätzen und unter Respek– tierung von gegebenen Mehr– heiten. In allen Fällen aber trägt der Gemeinderat die Ent– scheidung und Verantwortung, und er wäre schlecht beraten, wenn er sich in Einzelfällen unter Druck setzen lassen wür– de, um so den Blick für das Richtige und Wichtige zu ver– lieren." Von grammatikalischen Unzu– kömmlichkeiten einmal abge– sehen (in Wenn-Sätzen gibt's z.B. kein "würde"), muß man den Inhalt dieses Satzes auf der Zunge zergehen lassen, man muß den Satz drei-, viermal lesen, dann wird einem manches in Steyr nicht mehr so ver– wunderlich erscheinen.
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