fend. Im selben Jahr vergab die „Königlich-Preußische Heeresverwaltung“ an Steyr den größten bisher erteilten Auftrag auf Handfeuerwaffen, nämlich 500.000 „Mausergewehre 1871“. Dieser Auftrag kam nur dadurch zustande, daß Werndl es verstand, alle technischen Schwierigkeiten in überzeugend einfacher Form zu lösen. Mit berechtigtem Stolz erkannte er, daß damit der Weltruf Steyrs gesichert war. Bald erstreckten sich tatsächlich die Geschäftsverbindungen über die ganze Welt. Als Auftraggeber traten bis 1882 folgende Staaten auf: Frankreich und Griechenland (Gewehrmodell System Drehkolbenverschluß und Vorderschaftsmagazin 1874) Rumänien (Henry-Martini) Persien und Montenegro (System Werndl 1873/77) China (System Mauser 1871) Chile (System Drehkolbenverschluß und Vorderschaftsmagazin 1874 und System Kropatschek 1878) Im Jahre 1879 werden schließlich auch Josef Werndls Bemühungen um die Schaffung eines Repetiergewehrs von Erfolg gekrönt. Frankreich nimmt das von Kropatschek mit tatkräftiger Unterstützung durch Werndl konstruierte Repetier-Gewehr mit Drehkolben-Verschluß und Vorderschaftsmagazin als Französisches Marine-Gewehr 1878 an und erteilt einen Auftrag. Steyr gleicht in dieser Zeit, in der es sechs Übernahmskommissionen beherbergt, einem kleinen Babel. Diese Blütezeit der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft klingt auch in der Rede Werndls mit, die er 1880 bei der 900-Jahr-Feier der Stadt Steyr hielt: „Durch unsere technische Leistung stehen wir in der Qualität der Waffen unerreicht da und haben dort, wo Qualität entscheidet, keine Konkurrenz zu befürchten.“ Zwei Jahre später, um 1882, war aber ein Großteil der europäischen Heere mit Hinterladern ausgerüstet. Daher ging die Produktion bzw. der Auftragsbestand allmählich zurück und erreichte 1884 einen Tiefstand. Die Zahl der Arbeiter sank von 6.000 auf 900. In dieser Krisensituation bewährte sich abermals der unternehmerische Weitblick Josef Werndls. Er erkannte frühzeitig die ungeheure Tragweite der elektrischen Energie und nahm kurz entschlossen die Erzeugung von Dynamos, elektrischen Motoren, Bogen- und Glühlampen in das Produktionsprogramm der Waffenfabrik auf. Um dieses Programm durchziehen zu können, nahm er Kontakte mit Johann Schuckert in Nürnberg auf, traf mit Piette und Krizik aus Pilsen, die ein Patent auf Bogenlampen besaßen, ein Abkommen und übertrug dem Physiker Dr. Puluj aus Prag die Erzeugung der Glühlampen. Bereits 1883 führte Werndl auf der „Internationalen Elektrischen Ausstellung“ in Wien eine Dynamomaschine vor, die, von Dampfkraft getrieben, Bogenlampen mit Strom versorgte. Im Jahre 1884 folgte die von Werndl initiierte „Steyrer Industrie- und elektrische Ausstellung“, in der erstmals die Umwandlung der Energie fließenden Wassers in elektrischen Strom vorgeführt wurde. Während der Ausstellung wurde Steyr elektrisch beleuchtet. Damit ist Steyr die erste Stadt Europas, die eine Straßenbeleuchtung erhielt. Trotz der aussichtsreichen Entwicklung der elektrischen Abteilung galten aber alle Bemühungen der Waffenproduktion.
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