ALTÖSTER REICHS In diese Zeit fiel der österreichisch-preußische Krieg von 1866 und damit die Schlacht von Königgrätz. Aufgrund unglücklicher Zufälle und Führungsfehlern einiger österreichischer Korps-Komman- danten, insbesondere aber wegen der preußischen Überlegenheit im Linienfeuer durch das Dreyse-Gewehr ging die Schlacht verloren. Der Grund dafür war die siebenfache Überlegenheit des Dreyse-Hinterladers in der Schußfolge gegenüber dem österreichischen Vorderlader-System Lorenz. Nach der Schlacht von Königgrätz begann auch die österreichische Armeeverwaltung über die Einführung von Hinterladegewehren nachzudenken und setzte dazu die sogenannte „Hinterladungs-Gewehr-Kommission“ unter Vorsitz des Generalartillerieinspektors, Feldzeugmeister Erzherzog Wilhelm, ein. Immerhin erreichte die Kommission, daß innerhalb kürzester Zeit 700.000 LorenzGewehre nach dem System Wänzl umgebaut werden konnten. Diese Lösung konnte nur als Übergang bis zur Einführung eines vollkommen neuartigen Systems dienen, und so arbeiteten viele Waffenkonstrukteure im damaligen Österreich an der Erfindung eines derartigen Systems. Dazu gehörten neben Werndl auch der Gewehrerzeuger Fruewirth in Wien und Hauptmann Kropatschek. Werndl und Holub gelang es, ihr Konzept eines zuverlässigen, einfachen und billigen Produktes der Armeeverwaltung vorzulegen, und die Hinderladungs-GewehrKommission entschloß sich, das Gewehr mit dem Tabernakelverschluß zur Beschaffung vorzuschlagen. Am 28. Juli 1867 erhielt Werndl den Auftrag, 100.000 Gewehre mit Wellenverschluß, Kaliber 11 mm, zu bauen. Bereits im Herbst wurde der Auftrag um weitere 150.000 Stück erweitert. Die hohe Stückzahl der Bestellungen machte es notwendig, daß Werndl seine Produktionsstätten ausweiten und eine größere Zahl von Arbeitern beschäftigen mußte. In Ungarn wurde eine zweite Niederlassung gegründet, für das Werk in Letten wurden leistungsstarke Dampfmaschinen angeschafft, um vom Wasserstand der Steyr unabhängig zu sein. Im Gefolge dieser Entwicklung fand auch am 1. August 1869 die Umwandlung in die „Österreichische Waffenfabriks-Gesellschaft“ in Form einer Aktiengesellschaft mit sechs Millionen Gulden Stammkapital statt. Karl Holub
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