DIE HANDFEUERWAFFENPRODUKTION BIS JOSEF WERNDL Wie schon erwähnt, wurde 1595 die „Gesellschaft der Rohr- und Büchsenhandlung in Steyr“ gegründet. Hauptzweck dieser Gesellschaft war es, in verstärktem Umfang Waffen für die kaiserliche Armee, die in schweren Kämpfen gegen die aus dem Osten herandrängenden türkischen Kriegsvölker stand, zur Verfügung zu stellen. Auf Kosten dieser ersten Waffenfabrik wurden Facharbeiter aus dem Thüringer Wald angesiedelt. In weiterer Folge versuchte die Gesellschaft, ein Monopol für die Handfeuerwaffenerzeugung im nieder- und oberösterreichischen Raum zu erlangen. Kaiser Rudolf II. machte jedoch im Zuge der Gegenreformation alle diese Pläne zunichte, da er der protestantischen Stadt seine Gunst entzog. Schließlich mußte die Gesellschaft zu Beginn des 17. Jahrhunderts liquidiert werden. Inzwischen war aber die Handfeuerwaffe zu einem wesentlichen Bestandteil der Heeresausrüstung geworden, und so gesehen wirkte sich der Dreißigjährige Krieg positiv auf die Entwicklung der heimischen Waffenproduktion aus. Man konnte einfach auf die reichen Erfahrungen und Kenntnisse der Steyrer Eisenhändler und Büchsenmacher nicht verzichten. 1640 ließ Kaiser Ferdinand III. durch den Ob-der-Ennsischen Landeshauptmann einen Vertrag schließen, jährlich mindestens 2000 Musketen in Steyr zu erzeugen und an das Wiener Hofzeughaus zu liefern. In diesem Vertrag wurde auch festgelegt, daß kaiserliche Beamte die Kontrolle über die Erzeugung auszuüben hatten, eine Bestimmung, die für den Steyrer Rat eine arge Zurücksetzung bedeutete. Im Jahre 1654 gründeten Steyrer Ratsherren einen Rohrhammer im Stadtteil Unterhimmel und erwarben schließlich im Laufe der Zeit weitere Anlagen in Vogelsang. Sie lieferten nicht nur Musketen und Pistolen, sondern auch Harnische, Stangen- und Blankwaffen an die kaiserlichen Zeughäuser. Allein von 1677 bis 1680 belieferten sie das Grazer Zeughaus mit 10.000 Musketen, 12.000 Doppelhaken, 2.500 Pistolen und 2.500 Karabinern, alles samt Zubehör. Im Jahre 1701 lieferten die Steyrer Armaturfabriken noch 3.575, im Jahre 1708 sogar 4.432 Musketen und Flinten. Dann verlor die Steyrer Waffenproduk1726 bot der Wiener „Armatur-GewehrInspektor“ Anton Penzeneder der Wiener Hofkammer an, auf eigene Kosten eine neue Gewehrfabrik zu errichten. Mit einem Vertrag über die garantierte Abnahme von jährlich 6.000 bis 8.000 Flinten und 2.000 bis 3.000 Kürassen in der Hand, begann er die in Steyr vorhandenen Gewehrerzeugungsstätten aufzukaufen und die zahlreichen zünftisch organisierten Waffenmeister in und um Steyr vertraglich an sich zu binden. Da sich nun das Schwergewicht der Herstellung von Handfeuerwaffen nach Wien verlagert hatte, begann eine neue Phase für die Waffenproduktion in Steyr. Die Steyrer Waffenerzeuger waren zu reinen Zulieferbetrieben für die Wiener Zentrale geworden. 1786 wurden alle diese Betriebe der sogenannten „k.k. Feuergewehr-Fabriks-Lokaldirektion“ unterstellt; die Besitzer blieben jedoch eigenständige Unternehmer. Zu diesen selbständigen Waffenbestandteilerzeugern zählte seit 1821 auch die Steyrer Familie Werndl. Leopold Werndl erzeugte in seinen Werken in Steyr und Oberletten Infanteriegewehr- und Stutzenläufe, Ladestöcke, Lanzenspitzen, Gewehrringe, Bajonette und vieles mehr und beschäftigte dabei immerhin bis zu 450 Arbeiter. Ursprünglich produzierte die alteingesessene Steyrer Familie Werkzeuge aller Art, bis sich Leopold, der Vater von Josef Werndl, nur mehr mit der Waffenschmiedekunst befaßte. Seine Werkstatt in der Sierninger Straße wurde bald zu klein und mußte durch den Erwerb einer Schleife am Wehrgraben erweitert werden. 1835 fand abermals eine wesentliche Vergrößerung des Betriebes durch den Ankauf der Lettmühle samt den dazugehörigen Wasserrechten in Oberletten statt. Leopold Werndl starb 1855. Sein Sohn Josef, damals 24 Jahre alt, übernahm den elterlichen Betrieb und begann mit einer grundlegenden Modernisierung der vorhandenen Anlagen.
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