DER ERSTE W E L T K R I E Da sich der bevorstehende Erste Weltkrieg bereits durch die Balkankrise 1912/13 anzukündigen begann und alle Großmächte ihre Rüstungsanstrengungen vermehrten, wurde es auch für die Waffenfabrik unumgänglich, sich dieser bevorstehenden Bedrohung zu stellen. Die im Wehrgraben befindlichen Objekte konnten den Ansprüchen einer modernen Waffenproduktion nicht mehr standhalten, so daß man einen neuen Standort auswählen mußte. Die Wahl fiel auf die Plattner-Gründe im Steyrer Stadtteil Ennsleiten. Dort wurde innerhalb zweier Jahre, von 1912 bis 1914, eine vollkommen neue und hochmoderne Waffenfabrik aus dem Boden gestampft und damit eine Vormachtsstellung auf dem Rüstungssektor erreicht, die sich gegen jede Konkurrenz behaupten konnte. Die Kapazitätserhöhung der Steyrer Waffenschmiede kam gerade zur rechten Zeit, denn schon zu Beginn des Krieges mußte der tägliche Ausstoß 4.000 Gewehre, Maschinengewehre und Gewehrbestandteile betragen. Dazu kamen noch die Militärfahrräder und Flugzeugmotoren. Die Anzahl der Beschäftigten stieg auf über 15.000. Während der folgenden Kriegsjahre wurden insgesamt 3.000.000 Gewehre, Stutzen und Karabiner sowie 235.000 Pistolen, 40.500 Maschinengewehre und rund 20.000.000 Waffenbestandteile erzeugt. Diese Zahlen weisen Steyr als eine der wichtigsten Waffenerzeugungsstätten der Mittelmächte aus. I m Laufe des Krieges gelang es der Waffenfabrik zwar immer wieder, die täglichen und monatlichen Produktionszahlen zu steigern, doch trat mit dem Jahre 1917 insoferne eine Stagnation ein, als für die Produktion benötigte Maschinen nicht mehr angeliefert werden konnten. Zusätzliche Probleme brachte auch die Notwendigkeit, zu Kriegsbeginn die auf Auslandsproduktion eingestellten Maschinen auf das erzeugungstechnisch gänzlich andersartige österreichische Armeegewehr umzustellen. Bereits im zweiten Kriegsjahr standen alle Betriebsstätten in Steyr und Letten Tag und Nacht in vollem Einsatz. Um ihre Leistungsfähigkeit weiter zu erhöhen, erwarb die Waffenfabrik zusätzlich die Aktienmehrheit an der Zündhütchen- und Patronenfabrik Sellier & Bellot. Der Grundgedanke dabei war, sämtliche kriegswichtigen Zweige der Herstellung von Waffen und Munition in der Hand der Waffenfabrik zu vereinigen. Dies brachte zweierlei Vorteile. Zum einen wurde die Unabhängigkeit von Zulieferbetrieben erreicht, zum anderen konnte ein vergrößerter Konzernbetrieb der Heeresverwaltung gegenüber bei Verhandlungen aller Art besser auftreten. Schwierigkeiten bei der Produktion traten vor allem im Jahre 1918 auf, als die Roh- und Brennstoflänlieferung ins Stocken kam. Trotz aller Rüstungsanstrengungen wurde nicht übersehen, daß auch nach Kriegsende die Produktion weitergehen mußte, und so wurde die „Österreichische Fiaker-Automobil-Gesellschaft“ (ÖFAG) in Wien aufgekauft. Ansicht der neuen Fabriksobjekte, Steyr-Ennsleiten
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