Stadt Steyr und der Weltkurort Bad Hall

76 Steyr. gegründet worden ist, was einwandfrei nachgewiesen werden kann, da Solinger Messerindustriellc im Meisterbuche der Steyrer Messerinnung die Namen ihrer Vorfahren fanden. Langsam erholte sich die Stadt wieder von ihrem Tiefstände. Die Einfälle der Türken, welche wiederholt bis in die Nähe Steyrs vordrangen, später die Franzosenkriegc, die ihre Wellen bis nach Steyr warfen, beeinträchtigten wohl des öfteren Handel und Wandel, allein immer wieder erhob sich die Eisenindustrie zu neuer Blüte. Das 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts finden hier die Messerindustrie in ruhiger und gleich­ mäßiger Entwicklung. Fast in allen Ortschaften, Enns und Steyr aufwärts, selbst in den einsamsten Gebirgsgräben, sprühten die Essen, klangen die Hämmer von 4 Uhr früh bis 7 Uhr abends. In Steyrdorf und Aichct gab cs fast kein Haus, in welchem nicht irgend ein „Kurzmesserer" (Taschenmesser), „Schermesserer" (Rasicr- messer), „Laugmesserer" (Tischmesscr) und ein „Scharschmicd", der Scheren her­ stellte, arbeitete. Auch „Schwertfegcr" gab cs hier, denn die Hnsarenklingen mit der Inschrift „Fringia" (Ferdinandus Rep in Germania Imperator Augustus) soivie die sogenannten „Maria-Theresia-Klingen" fanden größten, bis in die Türkei reichenden Absatz. Die fertigen Waren wurden auf dem Standplätze den Verlegern (Großkauflcutcn) übergeben, welche sie in alle Welt versandten. Für die Sierninger und Sierninghofner Meister wurde das Rohmaterial in das „Bürgerspital" ge­ tragen, die Meister kamen herein und holten sich das Eisen zur weiteren Ver­ arbeitung ab. Die einzelnen Gewerbe waren in „Zünften", später „Innungen" genannt, vereinigt, deren angesehenste die Messererzunft war. Aus den Meistern wurde der „Zöchmeister" und zwei Beisitzer gewählt, die sämtliche Geschäfte führten. Der erste Geselle hieß der „Vürgeselle". Meister, Gesellen und Lehrbuben bildeten eine Familie, die gemeinsam verköstigt und untergebracht war. Diese Periode brach ziemlich jäh um die Mitte des 19. Jahrhunderts ab, in der Zeit, in der die Maschinenarbeit immer mehr die Handfertigkeit verdrängte und eine großzügige Industrialisierung überall begann. Die Erzeugung der Nägel auf warmem Wege wurde durch die auf kaltem ersetzt und diese wieder durch die Drahtstiftenerzeugung eingeengt, die Handarbeit des Klingenschmiedcs wurde durch die mit Wasserkraft und später mit anderen Kräften betriebenen Klingenhämmer verdrängt und durch die Pressen und Stanzen der entstehenden Fabriken. Zur selben Zeit entwickelte sich in der Stadt Steyr durch die Tatkraft Josef Werndls*) die Gewehrerzeugung zur Großindustrie. Nach und nach wurden die Wasserkräfte an der Steyr durch die Werndlfabrik aufgekauft und damit dem ohnehin schon im Zurückgehen begriffenen eisenverarbeitenden Handwerke schwere Einbuße gebracht, verstärkt noch dadurch, daß in den Zeiten der Konjunktur der Waffenfabrik die im Kleinbetriebe beschäftigten Arbeiter diesen verließen und in die Fabrik gingen, was schließlich auch mancher selbständige Meister wegen des Niederganges seines Ge­ werbes machen mußte. An Stelle der Messerergewerbc entstanden einzelne kleine Messerfabriken; die mit zu geringen Mitteln einsetzenden und durch den Zug der Zeit natürlich vergeblichen Hilfs­ aktionen für das Kleinciscngewcrbe konnten dessen Niedergang nicht aufhalten. Handwerker­ zeichen eines Wagners (Mnseum). *) Näheres darüber in dem folgenden Anssatze „Die Steyr-Werke A. G.".

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