Stadt Steyr und der Weltkurort Bad Hall

Das städtische Fürsorgewesen. Bon Magistratsdircktor Dr. Ferdinand Häuslmayr. Immer mehr faßt der Gedanke Wurzel, daß die Gesellschaft die Pflicht hat, das Schicksal des Individuums zu überwachen, für die Erziehung und das Gedeihen des Individuums zu sorgen, insbesonders dann, wenn die besonderen Verhältnisse der Familie nicht die Gewähr bieten, daß das Individuum ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden verspricht. Während früher das Schicksal solcher Kinder fast ausschließlich der Privatfürsorgetätigkeit überlassen war, übernehmen heute allinählich die öffentlichen Körperschaften die Fürsorge schon vom zartesten Kindesalter an. Die Erscheinungen der Nachkriegszeit haben auch den Beweis er­ bracht, daß die Privatfürsorgetätigkeit, so lobenswert und unentbehrlich sie ist, nicht mehr aus­ reicht, um die Aufgaben auf diesem Gebiete zu lösen. Das Erwachen des sozialen Ge­ wissens immer größerer Kreise der Gesellschaft drängt entwicklungsgesetzlich zur öffentlichen Fürsorge. Während einst der „Arme" — das Wort war immer mit dem Begriff der Minder­ wertigkeit verbunden — der Gemeinde „zur Last fiel", hat sich allmählich die Ansicht durch­ gedrungen, daß der unverschuldet in Armut geratene Mensch, der Erwerbsunfähige ein Recht auf die Fürsorge der Gesellschaft hat, deren Organisation ja schließlich und endlich die letzte Ursache der unverschuldeten Armut ist. Diese Auffassung von der Pflicht der öffentlichen Fürsorge hat auch die Gemeindeverwaltung der Nachkriegszeit übernommen. Fürsorge für Kinder und Jugendliche. Diese Art der Fürsorge setzte erst in der Nachkriegszeit ein. Es war eine völlig neue Auf­ gabe, die die Gemeinde übernahm. Es galt daher, zunächst den administrativen Apparat hiefür zu schaffen (siehe den Aufsatz „Verfassung und Verwaltung der Stadt"). Was die Gemeinde Steyr, deren finanzielle Mittel äußerst beschränkt sind, in dieser Hin­ sicht leistet, wird am deutlichsten durch nachstehende Ziffern veranschaulicht: Die Gemeinde übt derzeit über 844 Mündel die Berufsvormundschaft aus, außerdem kommt ihr die Aufsicht über 807 Ziehkinder zu. Die Gemeinde hat vor zwei Jahren ein eigenes städtisches Waisenhaus (Kinderheim) er­ richtet, das unter Leitung einer Fürsorgerin steht und vom Fürsorgearzt überwacht wird. Für erholungsbedürftige Kinder, die in eine Ferienkolonie, Heilstätte oder in ein Genesungs­ heim kommen müssen, leistet die Gemeinde den Großteil der Kosten. Auf dem Gebiete der Gesundheitsfürsorge hat die Gemeinde int kleinen Rahmen jene Einrichtungen geschaffen, die in dieser Hinsicht die moderne Wissenschaft empfiehlt. Für Säug­ linge und Kleinkinder wurde die Mütterberatungsstelle eingerichtet, die bereits großen Zu­ spruch aus allen Bevölkerungsschichten sindct. Von welch' wohltätigem Einfluß diese Institution ist, erhellt am besten daraus, daß ein stetes Sinken der Kindersterblichkeit zu beobachten ist. Die

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2