Stadt Steyr und der Weltkurort Bad Hall

Turnen und Sport in Steyr. Bon Redakteur Emanuel Januschka. Untrennbar verbunden mit dem Leben einer fortschrittlichen Bevölkerung ist ein immer stärker werdendes Interesse für Sport- und Körperkultur. Daß die eigentümliche Lage und der Charakter Steyrs als einer Stadt, in der seit dem frühen Mittelalter Handwerk und Handel blühten, einer Entwicklung der Leibesübungen günstig ist, sobald nur einmal die Idee der Körperkultur Wurzel gefaßt hatte, ist leicht einzusehen. Turnen und Sport sind Kinder der Stadt. Sie können nur auf dem Boden höherer Arbeitsformen gedeihen, Neigung für sie entsteht nur bei Entfaltung einer Kultur, die sich stark losgelöst hat von den harten Gebundenheiten, in denen die Natur den Banernmenschen auch heute noch gefangen hält. Wie allerorten im deutschen Sprachgebiet, so hat auch in Steyr der Turngedanke zuerst und am frühesten Fuß gefaßt. Der Turngcdanke ist in ganz Deutschland Gcsinnungssachc ge­ worden. Turnen wird und wurde von den Deutschen nicht allein der sportlichen Leistung halber betrieben. Die cs betreiben, wollen damit auch einer Idee dienen, die seit Jahn in den deutschen Turnvereine», hauptsächlich die der nationalen und der Geistesfreiheit ist. Für die Deutschen des alten Österreich hatte dieser Gedanke umso höhere Bedeutung, als die Habsburger die Existenz von Völkern nicht anerkannten und nur Kronländcr ihrer Hausmacht gelten ließen. Die Forde­ rung nach Geistesfreihcit hinwiederum war gegen den Klerikalismus gerichtet, der im Bündnis mit der Krone deren antinationalc Bestrebungen unterstützte. Diese Gedanken — der Antisemitismus spielte damals noch keine Rolle — beherrschten seit dem vorigen Jahrhundert das Denken des Kleinbürgers, der Angestellten und eines Teiles der Arbeiterschaft, die noch nicht das Bewußt­ sein ihrer besonderen gesellschaftlichen Lage erlangt hatte und aus diesem Mangel heraus ideo­ logische Anleihen beim Kleinbürgertum nahm. So haben die deutschen Turnvereine in Österreich, so hat auch der Deutsche Turnverein in Steyr immer eine große Bedeutung gehabt. Erst im Jahre 1912 wurde der Arbeiterturnverein „Vorwärts" gegründet. Auch sein tragen­ der Gedanke ist ein politischer, der notwendig auch ein kultureller sein mußte. Es ist der Ge­ danke der Befreiung der Menschheit durch die Selbstbefreiung der Arbeiterklasse vom Joch der kapitalistischen Ansbentnug, mit der jede materielle und geistige Unterdrückung fallen wird. Mit der Gründung des Arbeiterturnvereines, an der der erste Arbeitcrbürgermcister von Steyr Josef Wokral hervorragenden Anteil nahm, kam die ideologische Loslösnng der Arbeiterschaft von der Ideenwelt des Bürgertums zum Ausdruck. Kulturell genommen bedeutete die Gründung des Arbeiterturnvereines eine außerordentliche Verbreiterung der Körperübungen. Bestand die Mitgliedschaft des Deutschen Turnvereines doch in ihrer Mehrheit ans der Jugend des Kleinbürgertums, so besteht die des Arbeiterturnvereines ausschließlich aus Arbeiterjugend. So wurde ein bedeutender Teil der Steyrer Jugend für das gesunde, Körper und Geist stärkende Turnen gewonnen. Sportlich war diese Verbreiterung wichtig, weil durch sie die Sparten vermehrt, der Turn- bctrieb mannigfaltiger wurde. Die beiden Turnvereine, die seit Jahrzehnten nur das deutsche Turnen gekannt hatten, wetteiferten in der Vervollkommnung des Turnens, eine Entwicklung, die 15

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