Stadt Steyr und der Weltkurort Bad Hall

106 Steyr. Seit dieser Zeit erfreute sich die Anstalt einer stets aufwärts strebenden erfreulichen Ent­ wicklung, die aber durch den 1914 jäh hereinbrechenden Weltkrieg, der mit rauher Hand auch in das sonst so stille Schullebcn Eingriff, eine gewaltige Störung erfuhr. Nicht weniger als zehn Mitglieder des Lehrkörpers sowie eine große Anzahl von Schülern der oberen Klassen wurden zu den Fahnen gerufen. So manche von diesen und viele von den Hunderten im Felde gestan­ denen ehemaligen Schüler haben den Heldentod fürs Vaterland erlitten. Diesen Kriegsopfern der Anstalt wurde zu immerwährendem Gedenken im Jahre 1919 im Anstaltsgebäude ein würdiges Denkmal errichtet. Die daheim gebliebenen Lehrkräfte hatten nicht nur mit der größten Anstrengung für die Aufrechterhaltung des Unterrichtsbetriebcs zu sorgen, sondern sie widmeten sich zugleich mit den meisten Schülern der mittleren und oberen Klassen dem Dienste der Kriegsfürsorge und stellten ihr Bestes dem allgemeinen Wohle zur Verfügung. Die unheilvollen Wirkungen des furchtbaren Weltkrieges verhinderten nach Kriegsende die regel­ rechte und ordentliche Aufrechterhaltung des Untcrrichtsbetricbes; die verschiedenen Sparmaßnahmen auf dem Gebiete dcr Belcnchtnng und Beheizung, die oftmaligen Kältefcrien, der ständige Lehrerwechsel riefen eine tiefgreifende Änderung im Schullebcn hervor. Dazu kam noch, daß die in dem wirt­ schaftlichen Niedergänge begründete Aussichtslosigkeit der akademischen Berufe, die — freilich nur vorübergehende — Entwertung des Mittclschulstudiums und der Zusammenbruch und die Auf­ lösung des großen österreichischen Staates einen gewaltigen Rückgang in der Frequenz der Anstalt brachten, so daß cs bald offenbar werden mußte, daß die Steyrer Realschule in ihrer bisherigen Form den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht mehr entsprechen konnte. Daher war die Umwand­ lung der bisher nur für die realistische Richtung eingestellten Anstalt in einen allen Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechenden Typus notwendig geworden; zeitgemäße Neuerungen mußten durch­ geführt werden und nur dadurch war cs möglich geworden, daß sich die Anstalt nicht nur von den mannigfaltigen Erschütterungen des Krieges und besonders der Nachkriegszeit erholen, sondern nunmehr auch einer neuen Blüte entgegengehen konnte. Die Umwandlung hing aber auch enger zu­ sammen mit der Auslösung des seit dem Jahre 1910 in Steyr bestandenen Mädcheulyzeums. Der in diesem Jahre gegründete „Lyzcalvercin" hatte, da cs bis dahin in Steyr eine über den Nahmen der Volks- und Bürgerschule hinausgehende Möglichkeit, einer höheren Ausbildung für Mädchen nicht gegeben hatte, noch im Jahre seiner Gründung aus eigenen Mitteln, unter­ stützt von der Stadtgcmeindc Steyr und vom Staate, ein öffentliches scchsklassiges Mädchen­ lyzeum eröffnet, das bald zu einer.großen, Blüte gelaugte. Der Krieg und noch mehr seine Nach­ wirkungen haben auch dieser privaten Schöpfung einen schweren Schaden zugefügt; infolge der furchtbaren Geldentwertung war der Verein nicht mehr imstande, seine Schule aufrecht zu halten und so mußte die einzige Mädchenmittelschule in Steyr mit Ende des Schuljahres 1922/23 aufgelöst werden. Da aber das Bedürfnis nach einer höheren Ausbildung der Mädchen immer größer wurde, so gelang unter tatkräftigster Unterstützung von seiten der Stadtgcmeinde Steyr die Anglicderung der Klassen des bisherigen Mädchenlyzeums an die Realschule. Mit Rücksicht darauf, daß der Realschullehrplan in den wenigsten Fällen für Mädchen geeignet ist, sowie mit Rücksicht auf die noch lange andauernden schweren wirtschaftlichen Verhältnisse, die cs auf unabsehbare Zeit für alle Kreise der Bevölkerung für ausgeschlossen erscheinen lassen, Kinder in Studienorte außerhalb Steyrs zu geben, um sie auch humanistischen Studien zuführen zu können, ergab sich die Not­ wendigkeit, die bisherige Realschule in einen Mittelschultypus umzugestalten, der allen Bedürf­ nissen einer Provinzstadt, die nur eine einzige Mittelschule besitzt, vollkommen entspricht, ins-

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