Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

8 allerdings um Materialgruben. Die von Grabherr angeführten urkundlichen Nennungen, die den Bestand der Innviertler Burg absichern sollen, beziehen sich auf die oberbayerische Burg Hohenstein, die heute noch als Flurdenkmal erhalten ist. Viele weitere dubiose Objekte basieren offensichtlich auf älteren Quellen, die Grabherr ohne Überprüfung übernommen hat. Ebenfalls zu problematisieren sind jene unzähligen Erdwerke, die Relikte von niederadeligen Herrensitzen darstellen sollen. Bei der archäologischen Landesaufnahme des Landes Oberösterreich durch Marianne Pollak konnten nur einzelne dieser angeblichen Flurdenkmale im Gelände verifiziert werden. Nach jahrelangen Erhebungen kommt die Archäologin zu dem Ergebnis, dass sich viele der historisch überlieferten Edelsitze im Lauf der Zeit zu Schlössern entwickelt haben, andere zu Bauernhäusern, oder besaßen keinen ausgeprägt wehrhaften Charakter. Die Zahl der auch als Geländedenkmäler erkennbaren mittelalterlichen Herrensitze erscheint jedenfalls unrealistisch zu sein.12 Berechtigte Zweifel sind auch bezüglich der Einstufung der turmartigen Gebäude erhoben worden, die von Grabherr meist als „gemauerter Stock“ oder „Hausstock“ bezeichnet und gemeinhin zu adeligen Bauten stilisiert wurden. Nach Einschätzung des Historikers Klaus Birngruber dürfte es sich bei einer erheblichen Anzahl um landwirtschaftliche Speicherbauten gehandelt haben.13 Manche der turmartigen Gebäude dürften nur in der Vorstellung des Archivars existiert haben, da sie trotz intensiver Nachforschungen nicht nachweisbar waren. 12 Vgl. POLLAK 1992, 218 + 204ff. „Wie schon erwähnt, hat N. Grabherr 1975 eine Zusammenstellung der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs vorgelegt. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der topographische Teil - der historische wurde seitens der Autoren nicht kritisch überprüft - überaus fehlerhaft ist. Die meisten genannten Objekte existieren nicht in der vom Autor beschriebenen Form. Abgesehen von völlig falschen Lokalisierungen und Doppel- bis Dreifachführungen werden dort Geländeformationen als Befestigungsanlagen bezeichnet, denen dieser Charakter eindeutig fehlt: So werden Flurwüstungen (Wölbacker und Ackerterrassen), Altwege, Materialgruben und natürliche Kuppen als Erdsubstruktionen von Wehranlagen gedeutet. Unzählige der angeblichen Erdwerke mittelalterlicher Herrensitze waren im Gelände niemals in dieser Form erkennbar, sondern sind mit heutigen Bauernhöfen identisch, wie die Befragungen der Besitzer und alter Einwohner lehrten. Daraus ergibt sich, dass ihr heutiges Fehlen nicht auf ihre Zerstörung in den letzten Jahren zurückgeht.“ „Die Zahl der auch als Geländedenkmäler erkennbaren mittelalterlichen Herrensitze ist von N. Grabherr um ein Vielfaches überschätzt worden. Viele der historisch überlieferten Edelsitze haben sich im Lauf der Zeit zu Schlössern entwickelt, andere zu heutigen Bauernhäusern oder besaßen keinen ausgeprägt wehrhaften Charakter. Einen guten Überblick über das Aussehen der Bauten im frühen 18. Jh. bietet der Band Braunau der Österreichischen Kunsttopographie, wo die Ansichten M. Wenings wiedergegeben sind.“ 13 Vgl. BIRNGRUBER 2013, 19 "Bei der Interpretation von vermeintlich „adeligen“ Relikten, so etwa turmartigen Gebäuden bei oder innerhalb heutigen Bauernhöfen, ist allerdings große Vorsicht bei einer Ansprache als ehemaliger Adelssitz zu üben, besonders, wenn von (schrift)historischer Seite keinerlei Hinweise darauf vorliegen. So könnte sich hinter einem auffälligen „gemauerter Stock“ nichts anderes als ein Speicherbau mit bloßer landwirtschaftlicher Funktion verbergen, der nichts mit adeligem Repräsentationsbedürfnis zu tun hatte."

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