Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

577 E. X 62481, Y 354692 F. Nicht mehr erhaltener Adelssitz / Burgstelle / Wehranlage (evtl. untertägige Befunde) H/21/11 Hirschleitengraben (Wascheneck) 98 H/21/11 Burgus: Beim Hirschleitengraben auf der Grundparzelle Nr. 91/1 der KG. Wilhering wurde 1936 ein römischer Burgus ergraben und konserviert, Flurname „Wäscheneck“. Lit.: FB. II., S. 162 und 269. Lage: 13,7 v.u,. 17,8 v.r.u. (32). (Originaler Datensatz von N. Grabherr). A. Im Winter 1935/36 entdeckte der im Landesmuseum tätige Präparator Bernhard Stolz eine verdächtige Stelle im Kürnberg, die auf altes Mauerwerk schließen ließ. Sie lag bei der Einmündung des Hirschleitenbaches in die Donau, auf einer Rückfallkuppe an der rechten Talseite. Am 18. Jänner 1936 erfolgte die Begehung der Fundstelle durch Erwin Hainisch (Landeskonservatorat für OÖ), Franz Stroh (Oö. Landesmuseum) und Ernst Fietz (Prokurist der Fa. C. Bergmann & Co Linz). Bereits damals wurde die Vermutung geäußert, es könnte sich um die Rudimente eines römischen Wachturmes handeln. Am 31. Mai 1936 wurde mit der archäologischen Untersuchung der Fundstelle unter der Leitung von Ernst Fietz begonnen. Schon nach kurzer Zeit konnte das quadratische Fundament eines römischen Wachturmes freigelegt werden. Im Erdreich wurden zahlreiche Dachziegel (darunter auch mit dem „AL“ Rundstempel der Auxiliares Lauriacenses), provinzialrömische Keramik, färbige Steine für ein Brettspiel, Eisennägel, Hufeisen, Wetz- und Schleifsteine sowie Tierknochen geborgen. Die Dachziegel (Tegulae, Imbrices) sind höchstwahrscheinlich in der Militärziegelei von Edramsberg-Fall gebrannt worden. Der Transport zum Burgus dürfte mit Schiffen erfolgt sein, auch wenn der archäologische Nachweis dafür noch fehlt. Fietz vertrat damals die Auffassung, der Turm wäre in der Zeit der Markomannenkriege (2. Jhdt. n. Chr.) entstanden, was sich später jedoch als falsche Annahme herausstellen sollte. Wegen Arbeitsüberlastung musste Ernst Fietz 1938 die Leitung der Grabungskampagne an P. Gebhard Rath übergeben. Leider liegen über Rath’s Tätigkeiten keine schriftlichen Aufzeichnungen vor. 1939 wurden sämtliche Förderungen der „Zentralstelle für Denkmalschutz“ eingestellt, was das Ende der Grabungskampagne bedeutete; auch die geplante Konservierung des Turmes konnte nicht mehr durchgeführt werden. 1991 entschloss sich Christine Schwanzar zu einer neuerlichen Untersuchung des römischen Wachturmes, der sich damals bereits in einem schlechten Zustand befand. Diese Grabung erbrachte neues Fundmaterial sowie wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Geschichte des Turmes. So konnte festgestellt werden, dass zwei verschiedene Bauphasen vorliegen: Der ältere Turm I wurde vermutlich zu Beginn des 3. Jhdts. angelegt, in einer Zeit als es zu einem verstärkten Ausbau der Grenze kam, da die Alamannen eine ständige Bedrohung der Nordwestgrenze darstellten. In seinem Aussehen und Abmessungen entsprach Turm I den frühen Steintürmen des Limes in Bayern und andernorts. Der jüngere Turm II entstand zur Zeit des Grenzgenerals Ursicinus gegen Ende des 4. Jhdts. n. Chr. Damals kam es am gesamten norischen Grenzabschnitt zu einer verstärkten Bautätigkeit in den Kastellen, zerstörte Befestigungsanlagen wurden teilweise wieder instand gesetzt, Kleinkastelle und Wachtürme neu gebaut. Im Anschluss an die Grabungen wurden die Fundamentreste des Turmes II konserviert. Der heutige Zustand des Denkmals ist daher als sehr gut zu bezeichnen. 98 Anmerkung: Der Flurname „Wascheneck“ wurde von Ernst Fietz als "Welsches Eck" interpretiert. Nach Franz Pfeffer dürfte sich der Name jedoch von mhd. "wasch, wachs = rauh, scharf" ableiten.

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