Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

395 F. Nicht lokalisierter Ansitz / Burgstelle / Wehranlage E/8/4 Piesinger Graben (Hausruck, Scheiblingberg, Rudolfspitz) E/8/4 Rudolfspitz: Gegenüber vom Bh. Piesinger, O. Eidenedt, KG. Obenhaag, befindet sich die Erdsubstruktion einer großen Burg - seit 1973 Mülldeponie für den Markt Haag a. H. - ; es dürfte sich hier um die Burg Hausruck handeln, die Benennung „Rudolph-Spiz“ taucht erst im 14. Jh. auf. 1120 Hadmarus de Husrukke; 1170 Herrandus de Husrukke, ministerialis regni; 1366 „die Veste Rudolfspicz aufm Hawsrukch“; 1490 IX.4. „Wolfgang Jörger hat zu Lehen dacz Purgkstal zu Rudolfspicz“; 1611 „Rudolf Spiz ain alt oed Slos neben Hag“. Quellen: oöUB I/236; Strnadt, Peuerbach, S. 182; Zauner, Vöcklabruck, S. 319; oöLA, NE (Xerox) HS 275c, fol. 45; Strnadt, Grenzbeschreibungen des Innviertels, AfÖG, 52.Bd. S. 450; Lit.: Grabherr, Burgen, S. 106. Lage: 13,8 v.o., 6,3 v.li.o. (48). (Originaler Datensatz von N. Grabherr). A. In der landeskundlichen Literatur wird die seit der M. d. 19. Jhdts. bekannte Fundstelle beim Piesingergut in Eidenedt in der Regel als „Piesinger Graben“ bezeichnet. Im Volksmund heißt die Flur jedoch „Scheiblingberi“ (Scheiblingberg), vermutlich deswegen, weil eine der hier befindlichen Formationen bei oberflächlicher Betrachtung wie ein kreisrunder Hügel aussieht.96 Betrachtet man das ALS-Geländemodell, so kann man einen etwa 250 langen und bis zu 80 m breiten Hangsporn erkennen, der sich im Zwiesel von zwei Erosionsrinnen befindet. Das Areal wurde durch Herausschneidens eines etwa 80 m langen Grabens zweigeteilt, wodurch ein kleineres „Hauptwerk“ im Süden (dreieckige Struktur von etwa 80 bis 100 m Seitenlänge) und ein größeres „Vorwerk“ im Norden entstanden sind. Das südliche Werk wird gegen Westen durch ein doppeltes Grabenwerk gesichert, das sich im Bereich des nördlichen Werkes zu einem einzigen Graben verjüngt. Die von Norbert Grabherr vorgelegte Identifizierung mit dem urk. 1490 genannten Purgkstal zu Rudolfspicz ist in der Fachwelt umstritten. Nach Oskar Hille bezieht sich die historische Nachricht auf die sog. „Eiserne Hand“, eine Wehranlage, die sich auf einer Kuppe des Hausrucks etwa 0,6 km südwestlich des Piesinger Grabens befindet (E/8/7). Zur Fundgeschichte: Im Jahre 1865 führte der Kaufmann Johann Michael Obermayr Grabungen am Piesinger Graben durch. Der Florianer Chorherr Josef Gaisberger, der von den Tätigkeiten und den Funden informiert wurde, berichtet im Jahre 1869: „Nahe dem von Gundacker II. um 1176 erbauten Schlosse Starhemberg, am Fusse des Hausruck, liegen in einer grossen gedehnten Thalschlucht drei ziemlich hohe Hügel, die mit Waldbäumen dicht besezt und teilweise mit breiten und tiefen Gräben — Piesinger Gräben genannt — umzogen sind. An einem dieser Hügel — im Volksdialekte Scheiblingberi geheissen — veranstaltete im September 1865 Herr Johann Michael Obermayr, Kaufmann im nahe gelegenen Markte Haag, Nachgrabungen und fand seine Mühe bald durch solche archäologische Funde belohnt, die unverkennbar auf eine alte Grabstätte schliessen lassen. Die erhobenen Gegenstände waren: Kohlen, Eisengeräte, sehr viele Bruchstücke von Thongefässen und menschliche Gebeine. Die lezteren — größere und kleinere Stücke — waren ganz ausgetrocknet, von Farbe bräunlich und gliechen im Aeussern ganz und gar altem Holze; grössere Stücke von Schienbeinen — tibiae — waren noch gut erkennbar.“ Josef Gaisberger deutete die Fundstelle in Folge als „romanisch-karolingischen Grabhügel“. Diese These wurde aber von Eduard Beninger widerlegt, der die Keramikfunde dem 16./17. Jhdt. zuordnete und einen Zusammenhang mit einem Grabbau strikt ausschloss. Erwähnenswert erscheint auch die Deutung der Fundstelle durch Franz Wiesinger als spätmittelalterliche Töpferei. Doch schon Johann 96 Vgl. SCHIFFMANN 1940, 404

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