Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

236 C/6/3 Turntobel (Turnerkogel, Eberstein) 69 C/6/3 Turnerdobl: Ruine einer namenlosen Burg auf dem „Turnerdobl“ genannten Berg, zwischen den Bhs. Turner und Ebersteiner, KG. Pernau. Diese Burg dürfte infolge des Burgenbauverbotes unter König Ottokar II. von Böhmen nicht mehr fertig gestellt worden sein (Steine, vom Rohbruch bis zum fertig behauenen Quader, samt Absplissen liegen umher); keine Beurkundung. Lit.: Grabherr, Burgen, S. 224. Lage: 15,1 v.o., 12,2 v.r.o. (33). (Originaler Datensatz von N. Grabherr). A. Grabherrs Hypothese, die Burg am Turntobel sei aufgrund eines Ottokar’schen Bauverbots „nie fertig gestellt“ worden, ist heute zweifelsfrei widerlegt. Die Anlage entstand nachweislich bereits in der zweiten H. d. 12. Jhdts., etwa 100 Jahre bevor der Przemyslide Ottokar II. durch seine Heirat mit Margarete von Babenberg Österreich übernehmen und entsprechend in die Gesetzgebung des Landes eingreifen hätte können. Die Burg am Turntobel birgt dennoch einige Rätsel, besteht sie doch im Grunde genommen aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen: die Wehranlage an der höchsten Stelle der Bergkuppe (mit halbkreisförmigem Graben und Außenwall) nährte ihrer einfachen Struktur wegen gelegentlich die Annahme einer frühmittelalterlichen Wallburg. Die zweite Wehranlage, auf einem Felssporn etwa 40 Meter nordöstlich der Kuppe, oberhalb der Abfallkante zu einer tiefen Schlucht, besteht hingegen im Wesentlichen aus zwei Flankenmauern und einem etwa 4,60 x 6,20 m großen rechteckigen Turm, dessen Mauern bis zu einer Höhe von etwa 2 m erhalten sind. Auf Betreiben der in den 1990er Jahren gegründeten „Arbeitsgemeinschaft Turntobel“ starteten 2003 archäologische Sondierungen unter der Leitung von Christine Schwanzar. Bei dieser, 2006 in erster Etappe abgeschlossenen, Grabungskampagne wurden mehrere Mauerzüge freigelegt und Befunde gesichert, die eine Datierung in die zweite Hälfte des 12. bzw. 13. Jhdts. n. Chr. zuließen (s. o.). Die im Zentrum der Befestigungsanlage auf der Bergkuppe verifizierte 12 x 12 m messende Steinsetzung wurde von den Archäologen als mutmaßliche Basis für einen Holzaufbau interpretiert. Beim Anlegen des Wallgrabens dürften teils natürliche Geländeformungen benutzt worden sein, an anderen Stellen wurde der Graben künstlich bis zu einer Tiefe von etwa 2,5 m ausgehauen. Ob der aus Bruchsteinen bestehende Wall ursprünglich eine feste Mauer gebildet hatte, konnte nicht geklärt werden. Die untere „Turmburg“ war offenbar in einem Feuerbrand zerstört und später neu aufgebaut worden; Funde und Befunde indizieren jedenfalls eine zumindest zweiphasige Nutzung des befestigten Felssporn-Areals. Die Ergebnisse der Grabungskampagne sind somit als durchaus beachtlich zu bezeichnen. Ein erhebliches Defizit besteht allerdings darin, als sich die „Arbeitsgemeinschaft Turntobel“ überhaupt kein Konzept für eine Betreuung und Nachnutzung der Ausgrabungsstätte (etwa als Freilichtdenkmal; vgl. Ratzlburg) überlegt hatte. Auch bezüglich der Unterschutzstellung der bedeutenden Fundstelle wurden offensichtlich keine Aktivitäten gesetzt. Nach Beendigung der Grabungen wurde das Areal weitgehend gerodet sowie neue Bringungswege angelegt, die mglw. Beschädigungen verursacht haben. Des Weiteren fällt negativ auf, dass die obere Burgstelle sowie die Turmruine heute massiv von Unkraut überwuchert sowie von Holzabfällen übersät sind. In Anbetracht der ambitionierten Absichten der „Arbeitsgemeinschaft Turntobel“ kann der jetzige Zustand jedenfalls nur als unbefriedigend bezeichnet werden. (Angeblich soll die dicht verwachsene Burgstelle durch die Fa. Archeonova freigelegt werden). B. FÖ 2, 1934/37, 266 SCHIFFMANN 1935a, 229 (Turner) SCHIFFMANN 1935a, 233 (Eberstein) 69 Die in der ÖK-50 nicht namentlich bezeichnete Bergkuppe (Kote 694 m) wird im Volksmund als Turnerdobl, Turnerkogel, Turntobel, Steiningerberg, usw. angesprochen.

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