13 Berechtigte Zweifel sind mittlerweile auch bezüglich der Einstufung der turmartigen Gebäude erhoben worden, die (meist als „gemauerter Stock“ oder „Hausstock“ bezeichnet) gemeinhin zu adeligen Bauten stilisiert wurden. Nach Einschätzung des Historikers Klaus Birngruber dürfte es sich bei einer erheblichen Anzahl um landwirtschaftliche Speicherbauten gehandelt haben.17 Manche der als „Stock“ bezeichneten Gebäudeteile dürften nur in der gedanklichen Vorstellung von Norbert Grabherr existiert haben, da sie nicht nachweisbar sind.18 Erstaunlicherweise sind aber einige Herrensitze, die nach Norbert Grabherr „völlig abgekommen“ bzw. „vernichtet“ sein sollen, noch in recht gutem Zustand vorhanden. Hier sind etwa die Objekte Hildprechting (OG Ohlsdorf), Brandstatt (OG Pupping) und Oberbergham (MG Ottnang am Hausruck) zu nennen, die allesamt in Gebäuden aufgegangen sind, die auch heute noch als ehem. Ansitze erkennbar sind. Auch der Sitz Stein (OG St. Johann am Wimberg), der angeblich „beim Straßenbau vernichtet“ wurde, ist heute noch als Flurdenkmal (Burgstall) vorhanden. Es darf bezweifelt werden, dass Grabherr diese Objekte jemals vor Ort überprüft hat. Abgesehen von den Arbeiten der Archäologin und Denkmalpflegerin Marianne Pollak19 hat man in der landeskundlichen Literatur bislang kaum Kritik am „Historisch-topographischen Handbuch“ vernommen. Für etliche Landesarchivare, Landeshistoriker und Regionalforscher gilt Norbert Grabherr nach wie vor als die alleinige Referenz in der oberösterreichischen Burgenforschung. Kritik an seinen Arbeiten ist in diesen Kreisen offensichtlich wenig erwünscht. Die irrigen Einträge aus dem Handbuch tauchen jedenfalls immer wieder in wissenschaftlichen20 und heimatkundlichen21 Abhandlungen auf. Die Layer „BDA Archäologische Fundstellen und Boden- denkmale“ und „Baudenkmäler“, die im Themenbaum Geschichte des Digitalen Oö. Raum- informationssystems (DORIS) eingespielt wurden, basieren z.T. auf den fragwürdigen Angaben von N. Grabherr. Auch manche Mitarbeiter der „Freien Enzyklopädie Wikipedia“ berufen sich auf das Handbuch und verbreiten die alten Fehler in dem digitalen Medium weiter.22 17 Vgl. BIRNGRUBER 2013, 19 "Bei der Interpretation von vermeintlich „adeligen“ Relikten, so etwa turmartigen Gebäuden bei oder innerhalb heutigen Bauernhöfen, ist allerdings große Vorsicht bei einer Ansprache als ehemaliger Adelssitz zu üben, besonders, wenn von (schrift)historischer Seite keinerlei Hinweise darauf vorliegen. So könnte sich hinter einem auffälligen „gemauerter Stock“ nichts anderes als ein Speicherbau mit bloßer landwirtschaftlicher Funktion verbergen, der nichts mit adeligem Repräsentationsbedürfnis zu tun hatte." 18 Vgl. KALCHMAIR 2001. Bei den Erhebungen für die Chronik des Hofes Mair zu Laa durch Hans Kalchmair konnten keine Spuren des „gemauerten Stockes“ entdeckt werden. 19 Vgl. POLLAK 1992; POLLAK 2000; POLLAK 2007b 20 Vgl. ZAUNER 1993, 160f. Alois Zauner berichtet hier von einer „Burg Aichberg bei Ort im Innviertel“, die aber in der OG Ort im Innkreis nicht nachweisbar ist. 21 Vgl. MAYBÖCK 2018 22 Hier ist etwa der Eintrag über die Ortschaft Weißenbrunn (Gemeinden Waldzell, Schildorn) zu nennen, in der die fiktive „Burg Kemating“ angeführt wird. (Der Eintrag wurde mittlerweile revidiert). https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fenbrunn_(Gemeinden_Waldzell,_Schildorn)
RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2