Kritische Anmerkungen zum Historisch-topographischen Handbuch der Wehranlagen und Herrensitze OÖ

12 landeskundlicher (vaterländischer) Literatur des 19. Jahrhunderts. Die ursprünglichen Quellen nennt Grabherr allerdings nur in Ausnahmefällen. Zu problematisieren sind auch jene unzähligen Erdwerke, die Relikte von niederadeligen Herrensitzen darstellen sollen. Bei der archäologischen Landesaufnahme des Innviertels (Innkreises) durch Marianne Pollak konnten nur einzelne dieser angeblichen Flurdenkmale im Gelände verifiziert werden. 15 Die Überprüfung der übrigen Landesteile erbrachte vergleichbare Ergebnisse. Die Archäologin und Denkmalpflegerin kommt nach jahrelangen und intensiven Erhebungen zu dem Ergebnis, dass sich viele der historisch überlieferten Edelsitze im Lauf der Zeit zu Schlössern entwickelt haben, andere zu Bauernhäusern. Manche Sitze besaßen keinen ausgeprägt wehrhaften Charakter. Die Zahl der auch als Geländedenkmäler erkennbaren mittelalterlichen Herrensitze erscheint jedenfalls völlig unrealistisch zu sein.16 Ein solches imaginäres Erdwerk liegt etwa im Eintrag zum Freisitz Inzing vor (MG Waizenkirchen). Der noch im Jahre 1817 in der Landtafel eingetragene Ansitz wird aus unerfindlichen Gründen mit einem „Erdwerk“ identifiziert, das sich im Park des sog. Schlosses Hochscharten befinden soll. Dieses Erdwerk ist dort nicht verifizierbar. Die Auswertung des Josephinischen Lagebuches von 1787, das im Oö. Landesarchiv aufliegt, hätte die Standortfrage einwandfrei beantworten können. In dem historischen Kataster wird nämlich das bäuerliche Anwesen in Inzing 5 explizit als „Freisitz Inzing“ bezeichnet. Der Sitz ist somit nachweislich in einem Gutshof aufgegangen. Eine vergleichbare Fehleinschätzung liegt auch im Fall des Ansitzes Rablern vor, der nach N. Grabherr als „Erdwerk“ sichtbar sein soll (MG Andorf). Dieses Erdwerk ist aber in der Ortschaft Rablern nicht verifizierbar. Die Einsichtnahme des Theresianischen Gültbuches von 1780 hätte die Standortfrage einwandfrei beantworten können. In dem historischen Kataster wird nämlich das ehem. Anwesen vulgo Rablbauer (Hofbauer) in Rablern 9 explizit als „Edelsitz“ bezeichnet. Der Sitz ist somit in einem Gutshof aufgegangen. Es verwundert, wieso Grabherr den historischen Kataster nicht berücksichtigt hat, und stattdessen ein fiktives Erdwerk konstruiert hat. 15 Vgl. POLLAK 1992, 204ff. „Wie schon erwähnt, hat N. Grabherr 1975 eine Zusammenstellung der Wehranlagen und Herrensitze Oberösterreichs vorgelegt. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der topographische Teil - der historische wurde seitens der Autoren nicht kritisch überprüft - überaus fehlerhaft ist. Die meisten genannten Objekte existieren nicht in der vom Autor beschriebenen Form. Abgesehen von völlig falschen Lokalisierungen und Doppel- bis Dreifachführungen werden dort Geländeformationen als Befestigungsanlagen bezeichnet, denen dieser Charakter eindeutig fehlt: So werden Flurwüstungen (Wölbacker und Ackerterrassen), Altwege, Materialgruben und natürliche Kuppen als Erdsubstruktionen von Wehranlagen gedeutet. Unzählige der angeblichen Erdwerke mittelalterlicher Herrensitze waren im Gelände niemals in dieser Form erkennbar, sondern sind mit heutigen Bauernhöfen identisch, wie die Befragungen der Besitzer und alter Einwohner lehrten. Daraus ergibt sich, dass ihr heutiges Fehlen nicht auf ihre Zerstörung in den letzten Jahren zurückgeht.“ 16 Vgl. POLLAK 1992, 218 „Die Zahl der auch als Geländedenkmäler erkennbaren mittelalterlichen Herrensitze ist von N. Grabherr um ein Vielfaches überschätzt worden. Viele der historisch überlieferten Edelsitze haben sich im Lauf der Zeit zu Schlössern entwickelt, andere zu heutigen Bauernhäusern oder besaßen keinen ausgeprägt wehrhaften Charakter. Einen guten Überblick über das Aussehen der Bauten im frühen 18. Jh. bietet der Band Braunau der Österreichischen Kunsttopographie, wo die Ansichten M. Wenings wiedergegeben sind.“

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