Stadttheater Steyr

da Torheit und Unrecht die Welt zu beherrschen scheinen, rufen wir die deutschen Künstler auf, die stolzeste Verteidigung des deutschen Volkes mit zu übernehmen durch die deutsche Kunst. Adolf Hitler. Wir Schauspieler Wir Schauspieler treffen uns nicht erst eine halbe Stunde vor Beginn der Abendvorstellung — um dann etwa rasch miteinander zu besprechen, was wir wohl heute spielen könnten —, sondern gewöhnlich treffen wir uns schon viele Tage vor einer bestimmten Aufführung täg¬ lich früh um neun, also „mitten in der Nacht“ — nach dem Zeitbegriff unseres dunklen Berufs, den ich jetzt etwas anstrahlen will, damit gewisse Mißverständnisse verschwinden Wir bleiben drei bis vier Stunden zusammen und sagen mühsam den tückischen Text auf, den wir irgend¬ wann zum Entsetzen unserer Angehörigen oder Wand¬ nachbarn unter viel Stöhnen, Seufzen und Wehklagen auswendig zu lernen versucht haben. Dabei stellen wir ganz wie früher in der Schule, mit erheblichem Selbst¬ bedauern fest, daß wir ihn „zu Hause so schön gekannt haben; jetzt aber merkt niemand was davon. So haben wir um zwölf oder eins den Bauch voll Zorn und Hunger und trachten männiglich, durch Stillung des letzteren auch ersteren zu besänftigen, da Essen ja stets die beste Medizin gegen Seelenpein aller Art ist. Kaum aber sind wir angegessen, beginnt bereits von neuem der Aerger. Wir müssen dauernd umherrennen, bald von links auftreten, von rechts, bald durch die Mitte abgehen und obendrein lästige Gliederverrenkungen was machen, auch schauerliche Grimassen schneiden, — alles zusammen dann später bekanntlich wohltönend Menschendarstellung genannt wird. Und der Regisseur, unser Einpeitscher, dieser widerliche Nimmersatt, jagt uns immer wieder zurück durch Türen, die einstweilen bloß in der Phantasie stehen. Das dauert so bis gegen vier oder fünf nachmittags. Die andern Menschen haben um diese Zeit ihr Tagewerk vollbracht und geben sich nun voller Genuß einem mehr oder minder süßen Nichtstun hin, noch dazu in einem eigenen Heim. Eigenes Heim! O Gott, das ist etwas, wonach wir Schauspieler uns unter Umständen unser Leben lang vergeblich sehnen müssen, ist doch ge¬ wöhnlich unseres Bleibens nicht lange an dem gleichen Ort. Um etwas Neues hinzuzulernen und um unser Einkommen zu verbessern, nomadisieren wir weiter von Stadt zu Stadt, dies sogar dann, wenn wir mit den Jahren gern seßhaft würden; aber größer ist unser Ehrgeiz. Also diese Glücklichen machen nun ausführlich in Familienidyll. Uns dagegen würgt das Abendessen in der Kehle, denn mit Einbruch der Dunkelheit beginnt

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