Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 88 - wirtschaftliche Zusammenschlüsse zur Gewinnerhöhung durch Be– schränkung des Wettbewerbs. ,, Schon am Anfang der Entwicklung", sagt Joseph Höffner1, ,,bestand bei den Handwerkern das Be– streben, den Wettbewerb untereinander durch ,Verständigung' aus– zuschalten, und zwar ,allein um ihres eigenen Nutzens willen'.'' Höffner konnte sich für diese Auffassung auf zwei Arbeiten be– rufen, die Schwer bei der Abfassung seiner Schrift noch nicht vor– lagen, aber seine Darstellung nur bestätigen, nämlich auf die „Ge– schichte der obrigkeitlichen Preisregelung" von Ernst Kelter (1. Bd., Jena 1935) und auf die Untersuchung von Gunnar Mick– witz über „Die Kartellfunktionen der Zünfte und ihre Bedeutung bei der Entstehung des Zunftwesens" (Helsingfors 1936) 2 • Ist es schon wegen der dem Gesamtwohl schädlichen Monopol– tendenzen und Kartellfunktionen der Zünfte verfehlt, sie als „Re– präsentanten des mittelalterlichen Gemeinschaftslebens" 3 zu be– zeichnen, so darf man erst recht nicht die Zunftordnung mit der Gesamtordnung des mittelalterlichen Soziallebens gleichsetzen. Denn dabei übersieht man nicht nur, daß es viele zunftfreie Städte sowie nichtzünftige Gewerbetreibende in den Städten gab, son– dern vor allem, daß im Mittelalter und noch lange danach die allermeisten Menschen Europas auf dem Lande wohnten. Wohl gab es dort Einrichtungen, die man mit den Zünften der städtischen Gewerbebürger in etwa vergleichen kann, die vielgestaltigen länd– lichen Genossenschaften. Aber sie waren entstanden aus der Not– wendigkeit, den noch nicht in Privateigentum übergegangenen Boden planmäßig zu bewirtschaften, und in einer Zeit, in der es noch keine ausgebaute staatliche Verwaltung, Rechtsprechung und 1 Joseph Höffner, Wirtschaftsethik und Monopole im 15. und 16. Jahr– hundert. Jena 1940, 15. 1 In den seit einigen Jahren auch in deutscher Sprache zugängigen Wer– ken „Religion und Frühkapitalismus" von R. H. Tawney (Bern o. J. Samm– lung Dalp) und „Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters" von Henri Pirenne (Bern o. J. Sammlung Dalp) ist die vom Streben nach Gewinn– steigerung getragene Monopoltendenz der Zünfte noch nicht so sehr betont. Diese beiden Werke wurden im Original 1922 und 1933, also vor den Arbeiten von Kelter und Mickwitz, veröffentlicht. Dagegen konnte Walter Eucken in seinen „Grundlagen der Nationalökonomie" (1. Aufl. Jena 1939, 5. Aufl. Godesberg 1947, 390) sich für seine Auffassung des mittelalterlichen Wirt– schaftslebens auf die Arbeiten von Kelter und Mickwitz berufen. 3 Erich Wege, Die Zünfte als Träger wirtschaftlicher Kollektivmaß– nahmen. Stuttgart 1930, 2.
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