Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
74 nie ganz verloren. Es gab in der Kirche, so betont auch Aloys Schulte 1 in seinen umfassenden Untersuchungen über ihre stän– dische Gliederung im Mittelalter, eine Vorherrschaft, aber nicht eine Alleinherrschaft des Adels und der Freien. Geistiges Streben und geistige Arbeit überwinden nicht selten die Schranken, die die Geburt gezogen hatte. Mit 1050 beginnt die Umbildung: in den Klöstern wird der Arme, der Unfreie nicht mehr fortgewiesen, siegt der Gedanke der Gleichheit. Seit dem Wormser Konkordat (1122) gelangt auch bereits der eine oder andere Dienstmann auf den Bise hofsstuhl. 3. Die Idee einer berufsständischen Arbeits- und Leistungs– gemeinschaft. Indem Beruf und Stand in ihrer Bedeutung für die kleineren und größeren Einheiten der menschlichen Lebensgemeinschaft erkannt und gewertet wurden, begann bereits eine letzte geistige Voraussetzung der berufsständischen Idee sich zu erfüllen. Für diese ist ja das konkrete Bild einer „Ordnung" wesentlich, die nicht mehr nur, wie es das primitivere, religiös eingebettete Denken wollte, um den göttlichen Urheber und Lenker der Menschenwelt kreist und in ihm ihren beherrschenden Mittel– punkt hat, sondern, von den berufstätigen Gruppen getragen , in sich selbst ruht und im Miteinander und Füreinander aller beteiligten Kräfte sich selbst verwirklicht. Mitarbeit, Mitver– pflichtung und Mitverantwortung sind somit die Begriffe, denen eine letzte Überprüfung der Quellen nachgehen muß. a) Schon bald, nachdem die schweren Zeiten des Frühmittel– alters überwunden sind, fallen die wiederholten Hinweise der Prediger auf die wirtschaftliche Bedeutung, ja Une n t behr- 1ich k ei t auch der handarbeitenden Stände auf, die dann in der Folge immer zuversichtlicher hervortreten. Offenbar geht es darum, das Selbstbewußtsein und die Selbstachtung dieser oft so verachteten und vergewaltigten Schichten zu heben und damit die ersten Vorbedingungen für einen sittlichen Aufstieg zu schaffen. Auch der kleine Mann soll seine schwere Arbeit in einem größeren sinnvollen Zusammenhang sehen lernen. ,, Ihr seid die Füße der Christenheit", sagt Honorius Augusto– dunus den Bauern, ,,denn ihr tragt sie, indem ihr sie ernährt": 1 a. a. 0. 298.
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