Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 72 - oder schädlich ist, kann auch durch die beste subjektive Meinung nicht aufgewertet werden. Zu solchen Scheinberufen zählt Berthold von Regensburg die Würfelmacher, die Verfertiger der langen Messer, mit denen sich die Menschen im Streit töten, die Possenreißer, Tambourinschläger und Komödianten. Dem zehnten Chor der gefallenen Engel vergleichbar stehen sie völlig außerhalb der ständischen Ordnung: die Gesellschaft, die an ihnen keinerlei nützliche Arbeit für die Allgemeinheit zu ent– decken vermag, muß ihnen auch einen Platz in der Gesellschafts– ordnung versagen. Sehr drastisch macht das auch Jakob von Vitry in einem seiner zahlreichen Exempel seinen Hörern klar 1 • Aus den schädlichen Berufen vollends muß jeder austreten, der vor Gott und den Menschen bestehen will. Diese Überzeugung, daß jeder Beruf auch eine soziale Leistung, jeder Stand auch eine für das Gemeinschaftsleben wertvolle Betätigung darstellen müsse, war dem mittelalterlichen Menschen so tief eingegangen, daß noch Antoninus von Florenz im 15. Jahrhundert es nicht ver– säumt, bei jedem Beruf zu vermerken, ob er der einen oder der anderen Klasse zuzuteilen sei; und zwar ohne alle Engherzigkeit, indem auch die mit christlichen Moralbegriffen vereinbaren Ansprüche auf Verschönerung des Lebens und Erhöhung der Lebensführung anerkannt werden. freilich, und damit kehrt Berthold auch die subjektive Seite des Berufes hervor: Es genügt nicht, ein Amt zu haben, man muß auch „seinem Amte recht tun" , indem man es in Treue und Gerechtigkeit übt. Danach wird einst der Richter fragen, und so gewiß derjenige, der sein niederes Amt wohl verwaltet hat, zum Himmel kommt, so sicher fährt derjenige zur Hölle, der seinem hohen Amte nicht recht tat. Alle Macht, hatte schon Jahrhunderte zuvor Isidor von Sevilla 2 gesagt, ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie gut gehandhabt wird. Nur dann aber ist ihr Gebrauch ein guter, wenn sie dem Untergebenen nützt, dem sie in der irdischen Rangstufung übergeordnet ist. 1 Jemand, der im Sündigen den Tieren gleichgeworden, wollte ihnen auch in der Buße gleichen, indem er Gras zu verzehren begann. Als er daraufhin darüber nachdachte, in welchen Stand der Engel er dafür würde aufgenommen werden, erhält er die Antwort: ,,Tali vita non meruisti esse de ordine angelorum,, sed potius de ordine asinorum." (Th. Fr. Crane, The exempla or illustrative stories from the sermones vulgares of Jacques de Vitry, London 1890, p. 21 f.). 2 Sententiarum libri tres III c. 48 (Migne PL 83, 718).
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