Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 71 - unverwendbaren Waren, schnöde Ausnutzung der wirtschaftlichen Schwäche der Arbeiter werden hier schon mit aJler Schärfe als unsittlich gebrandmarkt. Übrigens ist auch für die vorhergehenden mittelalterlichen Jahrhunderte das nicht selten gefällte verall– gemeinernde Urteil ungerechtfertigt, die Kirche habe die Ab– steJlung schreiender sozialer Mißstände lediglich der christlichen Barmherzigkeit und Liebe überlassen, anstatt die Schuldigen im Namen der Gerechtigkeit zur Verantwortung zu ziehen. Wohl bleibt die in den Standesreden gebotene Berufsethik bisweilen in allgemeinen Wendungen und Erwägungen stecken, oder schiebt die kirchlichen Verpflichtungen zu stark in den Vorder– grund, oder begnügt sich mit allegorisierenden Gegenüber– stellungen des irdischen und himmlischen Kriegsdienstes, des Ringens um den materiellen Erwerb und um den großen Preis des ewigen Lebens u. ä. Ebenso darf es heute als ausgemacht gelten, daß man an das Mittelalter nicht moderne Ideen von Zuständereform, sozialen Freiheiten und politischen Rechten herantragen darf. Davon abgesehen aber wird man bei den hier öfters zitierten kirchlichen Schriftstellern und Sittenpredigern ausnahmslos die Forderung vertreten finden, daß der Starke sich um der Gerechtigkeit willen aller Übergriffe gegen den Schwachen enthalte, und der Höherstehende, dem man mit Recht Dienst und Ehre erweist, dafür auch dem Geringsten nicht als ein gewissenloser „Abbrecher" (Berthold) das versage, was ihm für seine Arbeit zukommt. d) In ausgezeichneter Weise wird vor allen anderen Bezeich– nungen das von Berthold von Regensburg mit Vorliebe ge– brauchte Wort „Amt" dem doppelten, objektiven und subjek– tiven, Gehalt des Berufsbegriffes gerecht. Und diese beiden Seiten der Berufsarbeit und Standespflicht werden auch, wie bereits gegenüber Karl Holl hervorzuheben war, gesehen und gewürdigt. Jedem ist auf Erden ein solches „Amt" zuteil ge– worden - zum Müßiggang ist niemand geschaffen - und jeder muß hinnehmen, was Gott ihm zugedacht, damit im Zusammen– wirken aJler das Ganze bestehen kann 1 . Dabei wird alle irdische Betätigung schon früh, so schon bei Hugo von St. Victor (t 1141), nach ihrer Bedeutung für die Erhaltung der menschlichen Gesell– schaft in bestimmte Wertklassen eingestuft. Es gibt notwendige, nützliche und unnütze Beschäftigungen. Was in sich unnütz 1 Von den 5 Pfunden (Pfeiffer, a. a. 0. I, 11 ff.)

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