Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 66 - lieh da, wo sie sich den einzelnen Volksgruppen zuwenden und mit bemerkenswerter Lebens- und Menschenkenntnis auf ihr Tun und Treiben eingehen, kultur- und sittengeschichtlich von großem Interesse sind. Man mag mit Ph. Funk 1 die Frage offen lassen, inwieweit das Mittelalter dabei schon zu einem „inner– weltlichen" religiös-sittlichen Lebensideal vorgedrungen ist; der Begriff der „Heiligkeit" gipfelt ohne Zweifel noch lange in der Vorstellung asketischer Loslösung von der Welt. Trotzdem ist gerade in den „ Sermones ad status" das Bestreben ganz unver– kennbar, mehr und mehr auch das berufliche Leben bis in seine letzten Verzweigungen hinein als eine von Gott aufgetragene Aufgabe darzustellen, deren gewissenhafte Erfüllung ebenso Gottes Wille ist, wie die Beobachtung der religiösen und kirch– lichen Verpflichtungen, und die ebenso unerbittlich Gottes Geboten untersteht, wi e das außerberufliche Leben 2 • Wer die zahlreichen Zeugnisse, aus denen nachstehend nur einige wichtigere herausgehoben werden können, auf sich wirken läßt, kann un– möglich der Behauptung von Karl Holl zustimmen, daß das Mittelalter die handarbeitenden Berufe und Stände nur äußerlich, das hei ßt nur als Funktion innerhalb der notwendigen und gott– gewollten Arbeitsteilung gewertet, den „inneren" Beruf als sittlich-religiöse Aufgabe aber nur für die höheren geistlichen und weltlichen Stände habe gelten lassen 3 • Begreiflicherweise wird eine objektive „organische" Auffassung des Berufslebens dem Theologen und Philosophen näherliegen, der einen Aufriß der aus unzähligen Einzelbetätigungen sich aufbauenden Gesell– schaftsordnung geben will. Daneben kommt aber in der für den Volksunterricht und die Seelsorge bestimmten Literatur, die Holl nur in ganz unzulänglicher Weise heranzieht, duch die religiös– sittliche Bedeutung treuer Berufserfüllung zu ihrem Recht. ,, ihr, die ihr den Acker bebaut", ruft Honorius Augusto– dunus seinen „Brüdern und Herren" zu, ,,seid die Füße der moyen-äge, 2. ed. Paris 1886. - Im einzelnen: Philipp Funk, Jakob von Vitry, Leipzig und Berlin 1909 ; Fritz Heintke, Humbert von Romans (Histor. Studien H. 222), Berlin 1933. 1 Welt und Überwelt im Mittelalter, in : Histor. Jahrbuch 51 (1931) 30ff. 2 Die „grundsätzliche Einordnung des gesellschaftlichen Ortes, auf dem der Mensch steht, in die Ethik" ist also ganz sicher nicht, wieWerner Eiert meint (Morphologie des Luthertums, a. a. 0. II, 50), erst ein Verdienst Luthers. 3 Zur Geschichte des Wortes Beruf, in : Gesammelte Aufsätze zur Kirchen– geschichte III, Tübingen 1928, 202 f.
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