Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 62 sippung, sein Aufgehen in Fehde, Jagd und Spiel, seine hohle Eitelkeit und geistige Oberflächlichkeit. Schonungslos und bisweilen mit bitterem Sarkasmus halten ihm Alexander Neckam und Johannes GuaJlensis, Bernhard von Clairvaux und Jctkob von Vitry seine Gewalttätigkeiten auf der einen Seite, seine weibische Vorliebe für äußeren Putz und Tand auf der anderen vor. Der Zwiespalt zwischen gesellschaftlichen Ansprüchen und gesellschaftlicher Leistung, an dem hernach zu Ende des 18. Jahrhunderts die gesamte feudal-ständische Ordnung zusammen– brach, hatte schon damals eine zunehmende Verschärfung des Gegensatzes zum Bauern- und Bürgertum sowohl in Deutschland wie in Frankreich und England zur Folge, während in Norditalien der Adel in die Städte hineinzog, sich in den Dienst ihrer Ver– waltung stellte und gleichzeitig durch Bewirtschaftung seines Landbesitzes eine Brücke zum Bauerntum hinüber schlug 1 • Den Ritterstand zu einer klaren Besinnung auf die sittliche Rechtfertigung des Waffenhandwerks, zu ernsthafter Pflicht– erfül]ung und zu sozialem Verantwortungsbewußtsein zu er– ziehen2 mußte nicht zuletzt auch deshalb die angelegentliche Sorge der Kirche sein, weil sie selbst f:eine Hilfe zur Verteidigung ihrer Rechte und zum Kampfe gegen die Ungläubigen nicht ent– behren konnte, und der alJzuschnelJe VerfalJ der bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts zu hoher Blüte aufgestiegenen ritterlichen Kultur auch dem kirchlichen Leben tiefe Wunden schlug. Immer wieder ist sie bemüht ~ die Ansprachen an die geistlichen Ritter– orden werden gerne dazu benutzt 3 ~, gerade ihm das Grund– prinzip aller ständischen Ordnung vorzuhalten, daß nur die wertvollere Leistung den höheren Rang zu rechtfertigen vermag. Nach Gottes Willen nimmt der Adel die ersten Stellen in der Gesellschaft ein. Aber diese „nobilitas carnalis" verpflichtet auch zu einer „nobilitas spiritualis" 4 • Wohltun, Schutz der Wehrlosen, strenge Rechtlichkeit fordert Jakob von Cessolis gerade vom Adel, der im Waffenschmuck dahergeht, darum 1 Brandi, Die Renaissance in Florenz und Rom, a. a. 0. 35. 2 Darüber auch: Gust. Schnürer, Kirche und Kultur im Mittelalter, a. a. 0 . 11 , 262ft. 3 Jak. von Vitry, Serm. vulg. 38 (a. a. 0 ., 414); Bernhard von Clairvaux ,, Liber ad milites Templi de laude novae militiae" c. 2 (Migne PL 182, 923). 4 Humbert de Romanis „De eruditione praedicatorum" (Maxima Pibliotheca veterum patrum, Lugduni 1677, Bd. 25, 424ff.) 495.

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