Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 61 - Wenn von Martin 1 darauf hinweist, daß hier eine Umwand– lung der irrationalen Komplexe (Blut, Geburt, Macht) in rationale (Besitz, Arbeit, Erwerb) vor sich geht, so kann man dem zu– stimmen, zumal ohne Zweifel die geistigen und seelischen Um– lagerungen, von denen hier die Rede ist, mit ebenso bedeut– samen wirtschaftlichen Umschichtungen Hand in Hand gehen. Ergänzend darf man aber hinzufügen, daß es dem Christentum gelang, durch den Berufsbegriff nicht nur die herrschaftlichen Instinkte zu dämpfen, sondern auch den nunmehr langsam aber unaufhaltsam hervorbrechenden Besitz- und Erwerbstrieb noch geraume Zeit im Zügel zu halten. b) Zeitlich gesehen setzt diese berufsethische Durchdringung der herrschaftsständischen Ordnung bei den herrschenden Ständen ein. Die ersten Anfänge einer Fürstenethik sind schon bei Augustinus nachzuweisen und finden durch mehr als ein Jahrtausend hindurch ihre Fortsetzung in einer langen Reihe von Anleitungen und „Spiegeln" für den Regenten und seine Berater und Helfer, deren Auswertung für die Geschichte der Staatsräson noch aussteht. Aus den in der vorliegenden Studie verwerteten Quellen seien hier besonders erwähnt das 48. Kaµitel ,,De praelatis" im dritten der Sentenzenbücher Isidors (t 636), die „ Institutio regia" des Bischofs Jonas v. Orleans (t 843) und die kurzgefaßten aber vortrefflichen Anweisungen für den König und seine Mitarbeiter, die das Schachbuch des Jakob von Cessolis bringt und an die späteren Bearbeitungen weitergibt. Noch weit dringlicher aber wurde schon in den letzten verworrenen Zeiten des ersten Jahrtausends und zum zweiten Male im späteren Mittelalter die Aufgabe, dem Hochmut und den Gewalttätig– keiten, der verletzenden Verachtung der Arbeit und des arbei– tenden Volkes und der Verrohung der Lebensführung entgegen– zuwirken, die im hohen und niederen Adel um sich griffen, nach– dem hoffnungsvolle Ansätze zur Schaffung einer ritterlichen Kultur alsbald wieder in Konvention und Veräußerlichung versandet waren 2 • Endlos sind besonders die Klagen über den niederen, aus der Ministerialität hervorgegangenen Adel: über seine Bedrückungen der Bauern, Klöster und Kirchen, seinen Familien– stolz und seine zu jeglicher Rechtsbeugung mißbrauchte Ver- 1 a. a. 0 . 378. 2 Zum Ganzen: Rud. Linner, Bildungszustände und Bildungsideen des 13. Jahrhdts., München und Berlin 1928, 8, 20 ff. Sc b wer Stand und Ständeordnung.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2