Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 48 - „digniores personae" in der gefahrvolleren ersten: heute ist es umgekehrt. Nur langsam, nur mit einzelnen Schritten gehen sie voran, aber sie kehren niemals um. Denn sie müssen durch Tapferkeit bis in den Tod zu gewinnen trachten, was die Ritter schon durch ihre Würde besitzen 1 . f) freilich über viele unverständlichen Härten und Unge– rechtigkeiten der diesseitigen Daseinsordnung vermochte auch die kühnste Auslegung des Bibelwortes und die verwegenste Symbolik nicht hinwegzuhelfen. Dann aber blieb als letzter und wirksamster Trost für eine Gläubigkeit, die zeitliches und ewiges Leben als ein Ganzes zu erfassen vermochte, noch der erschütternde Hinweis auf den Ausgleich aller irdischen Un– gleichheit im Tode, im letzten Gerichte und in der Ewigkeit. Sicherlich ist es kein Zufall, daß gerade durch die letzten Zeiten des Mittelalters mit ihrer Verschärfung der sozialen Gegensätze um so vernehmlicher die Totenglocke des „Memento mori" hin– durchklingt, und die Grundmotive der Todesbetrachtung - Vergänglichkeitsklage und Unerbittlichkeit des Todes, der die Menschen jählings aus allen Lebensaltern und Berufen mitgehen heißt~ in den „Totentänzen" eine nie zuvor dagewesene schauer– liche Ausprägung erhalten 2 • Ist doch der Gedanke selbst tief– christlich: ein demütiges Bekenntnis aller irdischen Unzuläng– lichkeit, verbunden mit der über alles Erdengeschick hinauf– hebenden Hoffnung auf die Gerechtigkeit eines unbestechlichen Richters. ,,Vielfältig sind die Bedrängnisse der Gerechten, aber aus allen errettet sie der Herr" (Ps. 33. 20), tröstet gegen Ende des 13. Jahrhunderts der Minderbruder Ludwig 3 den Bauern, nachdem er mit spürbarer Erregung seiner Mühen und Bedrük– kungen gedacht hat. ,,Ausruhen sollen sie von ihren Mühen" (Offb. 14, 13), wird es von ihm einst heißen. ,,Wohl dir, du guter und getreuer Knecht" (Matth. 25, 21), wird einmal der Herr zu dem Handwerker sagen, der Tag und Nacht gearbeitet hat. Mit der unübertrefflichen Anschaulichkeit und Kraft seiner Sprache hält dieselbe erschütternde Wahrheit Bruder Berthold den Mächtigen zur Warnung, den Kleinen und Armen zum 1 Gesta Romanorum c. 166. 2 Huizinga, Herbst d. Mittelalters, a. a. 0. 193 ff. 3 Ad. Franz, Drei deutsche Minoritenprediger, a. a. 0. 88 f.

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