Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
45 - Platz in der mittelalterlichen Moral- und Pastoralliteratur ver– schafft, sich zu einem besonderen „Schachkapitel" (,,De Scaccis" oder ähnlich) ausweitet und auch den ersten Anstoß zu symbo– lischen Exkursen gibt. Schon Alexander Neckam 1 (l 157~1217), der englische Augustiner, beginnt damit. Bei seinem Landsmann Johannes Guallensis oder Wallensis (zweite Hälfte des 13. Jahr– hunderts) erscheint bereits eine ausgeführte Deutung der Schach– figuren und ihrer oft so seltsamen Bewegung 2 • König und Königin, Richter, Ritter und Volk spielen ihr Spiel auf den Brettern des Lebens genau nach dem Maße der Aufgabe und 8ewegungs– freiheit, die ihnen zuteil geworden: in zwei Farbt!n geteilt, weiß und schwarz, weil alle Menschen vor Gott entweder im Stande des Lebens oder des Todes sind. Amt und Ehre sind den einzelnen verschieden zugemessen und bleiben verschieden, solange noch das bunte Spiel des Erdendaseins währt. Ist es aber zu Ende, so verschwinden alle kopfüber wieder in demselben Beutel, aus dem sie hervorgegangen, der König wie der Bauer, ,,denn alle haben einerlei Eingang ins Leben und einerlei Ausgang" (Weis– heit 7, 6). Ja, oft mag es vorkommen, daß der König dabei zu unterst zu liegen kommt und ein armer Bauer obenan, wie die Großen dieser Welt nach dem Gleichnis des Evangeliums wohl manchmal in der Hölle begraben, die Armen aber in Abrahams Schoß getragen werden (Luk. 16, 22). Ungefähr gleichzeitig tritt nun aber im weitentfernten Süden, vermutlich in der Lombardei, im Schachbuch des Domini– kaners Jakob de Cessolis (um 1300) diejenige Schachsymbolik hervor, die in den beiden folgenden Jahrhunderten eine fast beispiellose Verbreitung gefunden hat, in fast alle Sprachen über– setzt worden ist und vor allem in deutschen Bearbeitungen bis über den Ausgang des Mittelalters hinaus fortlebte 3 • Das Original des Jakob von Cessolis, über dessen Herkunft und Leben nichts 1 De naturis rerum libri II (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores vol. 34, London 1863) 1. II c. 184 „De Scaccis". 2 Communiloquium (gedruckt Straßburg 1489 u. ö.) P. I Dist. 10 c. 7. 3 Liber de moribus hominum et officiis nobilium supra ludum Scaccorum, ed. E. Köpke in: Mitteilungen aus den Handschriften der Ritter-Akademie zu Brandenburg a. H. 1879, Progr. Nr. 59. Ein Abdruck auch in der vorhin genannteu von Ed. Vetter besorgten Ausgabe des Schachzabelbuches Konrads von Ammen– hausen. Eine sehr reichhaltige Übersicht über die zahlreichen Bearbeitungen und Übersetzungen bei A. van der Linde, Geschichte und Literatur des Schachspiels, a. a. 0. 29 ff. Schwer Stand und Ständeordnung.
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