Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 43 - des officiums aber den „ordo" gründet, der die vom Staate (bzw. der Stadt) umschlossene große Menschengruppe zu einer „geordneten" (ordinata) macht. Im deutschen Sprachgebrauch setzt sich sowohl in den Zunfturkunden wie in der Predigt, vor allem wiederum bei Berthold von Regensburg, das schöne und vielsagende Wort „Amt" durch, während die Bezeichnung „Stand" sich weit langsamer einbürgert und bis über das Mittelalter hinaus auch sehr dehnbar bleibt1. e) Statisch denken heißt für den mittelalterlichen Menschen vor allem in Ordnungen denken. Alles Erschaffene ist aus der unausdenkbaren Vollkommenheit Gottes hervorgegangen, ge– hört daher einer Himmel und Erde umspannenden „Einheit in wohlgeordneter Vielheit" an - so umschreibt der Aquinate den Begriff der Ordnung. Alles hat seine ihm bestimmte Stelle im Ganzen, aJJes ist sinnerfülJt, spiegelt, von der Himmelswelt der seligen Geister durch die Geist-Leiblichkeit des Menschenwesens zur leblosen stofflichen Kreatur niedersteigend, die unendliche Seinsfülle des Schöpfers in ungezählten Stufenordnungen und Abschattungen „exemplariter" wider. Daher deutet auch umge– kehrt das jeweils Niedere in geheimnisvoller Symbolik ein Höheres an. Auch das scheinbar Geringfügigste kann und soll dem Menschengeiste, der gläubig im Buchstaben des Gotteswortes das darin verborgene Pneuma, unter der äußeren Hülle der figürlichen Dinge und hinter ihrer den Sinnen zugewandten sichtbaren Gestalt den tieferen Sinn sucht, ein Führer zur Wahrheit und eine Staffel des Aufstiegs zum Übersinnlichen werden. In solchei Weise entmaterialisiert und vergeistigt kann selbst das, was für den erdenwärts Gerichteten ein Fallstrick und eine Gefahr ist, gewissermaßen gegen seine Natur das Gute schaffen. So erklären sich die gegen Ende des Mittelalters immer häufiger auftretenden Versuche, auch gewissen von der Kirche und ihrer Sittenlehre verbotenen oder doch nur ungern gelittenen Spielen dadurch einen besseren Sinn abzugewinnen und sie für di~ Volkserziehung nutzbar zu machen, daß man sie symbolisch ausdeutete. Das Schachspiel, das schon im frühen Mittel– alter vom Osten her, vermutlich über Spanien und durch Ver– mittlung der Araber, ins Abendland herüberkam, macht den Anfang, und gerade diese Schachsymbolik, deren erste Anfänge 1 Werner Elert, Morphologie d. Luthertums II, München 1932, 50.

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