Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 39 erhaltenen Entwürfen 1 zahlreiche Parallelen finden, muß uns in einem anderen Zusammenhang noch näher beschäftigen. An dieser Stelle ist der entscheidende Nachdruck darauf zu legen, daß auch diese himmlische Ordnung durchaus auf Über- und Unterordnung, Herrschen und Dienen, Befehlen und Gehorchen gestellt ist, also aus „höheren" und „niederen" Ständen bestehtt von denen jeweils die letzteren den ersteren untertan und zu Diensten sein müssen. Bei den Theologen tritt das ebenso un– zweideutig hervor 2 , wie in der soeben erwähnten Predigt Ber– tholds: das „imperium" einerseits, die „subjectio" und „oboe– dientia" andererseits sind die Stützen des ganzen Baus. Daß ohne diese „clisciplina" weder im Himmel noch auf Erden ein geordnetes Gemeinschaftsleben möglich ist, soll eben auch durch die Lehre von den Engelchören dem Mann aus dem Volke unwiderJegJich dargetan werden. Die von Gott bestimmte Stellung innerhalb der himmlischen und irdischen Seins- und Wertordnung ist mithin entscheidend, nicht etwa umgekehrt die individuell größere oder geringere Leistung. Daher auch, wie Huizinga 3 richtig bemerkt, die unverwüstliche Stabilität dieses mittelalterlichen Gesell– schaftsbildes. ,,Man konnte dabei die Entartung der Geistlich– keit, den Verfall der ritterlichen Tugenden bejammern, ohne darum das ideale Bild auch nur im mindesten preiszugeben; die Sünden der Menschen mögen die Verwirklichung des Ideals verhindern, dennoch bleibt es Grundlage und Richtschnur des gesellschaftlichen Denkens." Eine besonders interessante Wendung gibt dieser Lehre von den Himmels- und Erdenständen der hl. Bonaventura, da bei ihm, offenbar in Anlehnung an neuplatonische Ideen, nicht nur das Sein, sondern auch die Vollkommenheit und Erkenntnis der geschaffenen Wesen stufenweise von den höheren Seinsord– nungen zu den niederen hinabsteigt 4 • Fürsten, Ritter und Volk 1 Ausgabe Franz Pfeiffcr, Berthold von Regensburg, Wien 1862, I, 140 ff. - Georg Jakob, Die lateinischen Reden des sei. Berthold v. Regensburg, Regens– burg 1888, 55, 85. - Dazu: Anton E. Schönbach, Die Überlieferung der Werke Bertholds v. Regensburg, in: Sitzungsberichte d. kaiserl. Akademie der Wissen– schaften, Phil.-hist. KI. 151 (1905). 2 Vgl. Wilhelm von Auvergne (t 1248) bei Vallentin, a. a. 0. 56 f., aber auch schon Isidor v. Sevilla, der ausdrücklich von einer „distantia potestatum" spricht. 3 Herbst des Mittelalters, a. a. 0. 78. 4 Commentarius in Librurn Sapientiae, Prooernium (Opera omnia VI, Quaracchi 1893, 409).

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