Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 30 also eines nach innen gerichteten und der eignen Berufsgruppe zugekehrten ständischen Bewußtseins, und jener Hinwendung– zum Dienste am „gemeinen Wesen", die für den Begriff einer berufsständischen Ordnung unentbehrlich ist. Auch wenn man den teilweise ziemlich harten Urteilen nicht beipflichten will, die heute den kollektiven Egoismus der mittelalterlichen Zunft und den utilitaristischen Charakter ihrer scheinbar dem Gemeinwohl dienenden Maßnahmen und Einrichtungen ebenso stark hervor– heben1, wie man ehedem überall ethische Motive unterstellte, so muß sich doch sicher die früher beliebte Auffassung erhebliche Abstriche gefallen lassen. Über den Zusammenschluß der Berufs– genossen zur Wahrung der eignen wirtschaftlichen und politischen Interessen hinaus kommt es eben nirgendwo zu einem ernsthaften Versuch organisierter Zusammenarbeit mit den anderen Berufs– gruppen innerhalb des städtischenWeichbildes. Und das wäre doch der erste und nächstliegende Schritt auf eine berufsständische Zu– sammenfassung der Stadtbevölkerung hin gewesen. Ja, noch mehr: sogar innerhalb des eignen genossenschaftlichen Verbandes versagt der Berufs- und Standesgedanke gerade da, wo es sich um eine der wichtigsten Aufgaben jedes Berufsstandes, um die Eingliederung des jungen Nachwuchses handelt 2 • Die Gesellen– frage erledigte sich solange, aber bezeichnenderweise auch nur solange, glatt, als das Verhältnis des Meisters zum Gesellen mit der Stellung des Herrn zu dem von ihm abhängigen „ Knecht" sich deckte. Sie wird aber schon in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters zu einer mit allen Mitteln des Klassenkampfes durchgeführten Machtprobe zwischen feindlichen Gegnern, als der „Knecht" zum „Gesellen" aufsteigt und auch für sich das Recht genossenschaftlichen Zusammenschlusses innerhalb der Zunft, einen Platz in der Zunftorganisation, ein Mitbestimmungs– recht in Lohn- und Arbeitsfragen und einen Anteil an der Zunft– gerichtsbarkeit beansprucht. Höchst interessant ist dabei die von Georg Schanz festgestellte Tatsache, daß auch die Bezeich– nung „Geselle", die zuerst um die Mitte des 14. Jahrhunderts das bis dahin übliche Wort „ Knecht" in den Handwerksurkunden 1 Joh. Bühler, Bauern, Bürger, Hansa, Leipzig 1929, 101; Bechtel, a. a. 0. 228 f. Andere gesellschaftliche Gruppen, vor allem auch der Adel, standen übrigem darin den städtischen Gewerbetreibenden keineswegs nach: Breysig, a. a. O. 42 f. 2 Zum folgenden: Georg Schanz, Zur Geschichte der deutschen Gesellen– \'erbände, Leipzig 1876.

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