Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 28 - gemeinschaftete Betätigung ein Spielraum geblieben wäre. Sehr mannigfaltige Formen von hof-, dienst- und Jehnsrechtlichen Genossenschaften behaupten sich auf diese Weise innerhalb der Herrschaftsverbände 1 . Noch weit günstiger lagen die Voraussetzungen für die Ent– stehung genossenschaftlicher Berufsverbände in der mittelalter– lichen Stadt. Hier beseitigte nicht nur die Befreiung von den Herrenrechten des Grundherrn, die aus der dauernden Über– siedelung zur Stadt folgte und in dem bekannten Worte „Stadt– luft macht frei" ihren Ausdruck fand, manche Hemmungen, sondern dem städtischen Einungswesen blieb auch der gleich zu erwähnende schwere Rückschlag erspart, der die mühsam behauptete Bewegungsfreiheit der ländlichen Genossenschaften alsbald wieder unter die grundherrliche Gewalt beugte. Zwar gelingt es in der ersten Periode städtischer Geschichte den Stadt– herren noch, die freiheitlich-genossenschaftlichen Bestrebungen niederzuhalten. Aber nachdem die Städte selbst sich dieser Bevormundung entzogen und zur Unabhängigkeit durchgerungen hatten, entwickelt sich innerhalb ihrer Mauern auf der Grundlage einer weitgehenden Spezialisierung des gewerblichen „Hand"– werks ein genossenschaftliches Leben, das bis heute immer wieder als beispielgebend für eine berufsständische Gliederung hingestellt worden ist. Tatsächlich waren aber auch die städtischen Berufs– gemeinschaften der Handwerkerzünfte und Kaufmannsgilden von diesem Ziele noch sehr weit entfernt. Warum? Zunächst darf man nicht übersehen, daß genossenschaft– licher Zusammenschluß an sich noch gar nichts gegen eine herr– schaftliche Grundstruktur besagt, vielmehr, wie der starke innere Zusammenhalt der Herrschaftsstände deutlich zeigt, auch die Vormachtstellung der herrschenden Gruppen nur noch zu be– festigen und zu sichern pflegt. Vergenossenschaftung, bemerkt Oppenheimer 2 ganz richtig, berührt zunächst nur das Verhältnis der Gruppengenossen untereinander, besagt aber noch nichts über das Verhältnis der einen Gruppe zur andern, Gemeinschafts– sinn und treues Zueinanderstehen nach innen verträgt sich viel– mehr sehr wohl mit einem recht brutalen Gruppenegoismus, sobald es gilt, die eignen ererbten Privilegien nach außen hin zu halten und zu verteidigen. Insofern täuscht, wie schon erwähnt, 1 Gierke, a. a. 0. 8 ff., 153 ff., 162 ff., 180 ff., 220 ff. z Franz Oppenheimer, System der Soziologie I, I. Halbbd., Jena 1922, 374.

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