Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
24 - deutung für den ständischen Aufbau überschätzen. Die Ent– wicklung ihrer Verfassung und gesellschaftlichen Gliederung - das ist hier wieder das Entscheidende ~ wird nach der Befreiung vom königlichen oder bischöflichen Stadtherrn durchaus nicht, wie man es wohl darzustellen liebt, durch den friedlichen Wett– eifer beruflicher Gruppen gefördert und bestimmt. Sondern als Machtgruppen im Kampfe um die Stadtverwaltung treten sich in langwierigen und wechselvollen Kämpfen die Geschlechter als die stadtpolitisch bevorrechtigten, ja al!einberechtigten Vollbürger und die kleinen Handel- und Gewei:betreibenden als Bürger minderen Rechts entgegen. Noch in der Darstellung der Zunft- und Geschlechterordnung in Ulm a. D., die der Pre– digermönch Felix Fabri in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entwirft, ist das mit voller Deutlichkeit zu erkennen 1 . Vermutlich ließ sogar die Loslösung von der Fürstengewalt diese Gegensätze erst in ihrer ganzen Schärfe hervortreten, während man sich bis dahin als „ Bürger" wenigstens dem gemeinsamen Gegner gegenüber eins fühlte. Auch die alsbald sehr fühlbare Besitz– ungleichheit zwischen den vermögenden Grundherren und Kauf– leuten und dem im allgemeinen recht ärmlichen Handwerker– dasein2 ist wohl nie durch das Bewußtsein der Zusammengehörig– keit im Berufe wirklich überwunden worden. Als dann im 14. Jahrhundert das Ringen der Geschlechter mit den Zünften, wie in den meisten Städten, zugunsten der letzteren sich entschied, bedeutete auch dieser Sieg keineswegs etwa den Übergang zu einer wahrhaft demokratischen Stadtverfassung. Sondern die neuen Herren dachten in denselben machtständischen Kategorien wie die alten, und nützten ihren Erfolg nicht minder rücksichts– los für sich selbst aus, wie jene 3 • Wo aber dieser Umsturz nicht gelang, behält umgekehrt auch die städtische Herrenschicht die Zügel bis zuletzt fest in der Hand. Selbst die Augsburger Fugger haben erst 1538 als Patrizier auf der Geschlechterbank Platz nehmen dürfen. 1 Max Häussler, Felix Fabri aus Ulm und seine Stellung zum geistigen Leben seiner Zeit (Beiträge zur Kulturgeschichte des Mittelalters und der Renais– sance 15), Leipzig und Berlin 1914. 2 H. Bechtel, Wirtschaftsstil des deutschen Spätmittelalters, München und Leipzig 1930, 52. 3 Zum Ganzen bes.: Gust. Schmoller, Deutsches Städtewesen in ältester Zeit, Bonn und Leipzig 1922; Fritz Schneider, Zur Geschichte der berufsstän-
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