Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 23 - Ende des Mittelalters sowohl im sozialen als im gesellschafts– politischen Sinne 1 . Das Geburts-, Macht- und Herrschafts– prinzip bleibt unerschüttert. Weder der kleinere Teil des Bauern– tums, der seine Unabhängigkeit rettete, noch der weitaus größere der Grundholden, die sich im 11. und 12. Jahrhundert wenigstens zu halber Freiheit durchrangen, kommt innerhalb der von jeher bestehenden gesellschaftlichen oder gar politischen Gliederung irgendwie zur Geltung. Das trifft ~ kleinere Abweichungen abgerechnet - ebenso für Deutschland und England, wie für Italien und Frankreich zu 2 • Überall vermag der Adel als Herren– stand durch seinen enormen Bodenbesitz und sein soziales Über– gewicht die bäuerlichen Massen in dauernder Abhängigkeit zu erhalten. Ja, das Ende ist im Norden wie im Süden seit dem 14. Jahrhundert eine Übermacht der Grundherrschaft, die fast drückender war, als je zuvor. Das Hof- und Dienstrecht, das die bäuerliche Bevölkerung weit über das Mittelalter hinaus in das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem einfügt, ist eben seinem Wesen nach lediglich die rechtliche Fixierung von Abhängigkeits– verhältnissen, trägt aber in keiner /Weise berufsständischen Charakter. Am krassesten tritt das vielleicht, wie schon ange– deutet, in die Erscheinung, als sich seit dem 14. und 15. Jahr– hundert die gesellschaftlichen Stände langsam zu politischen umbildeten, zuerst in gelegentlich seitens der Landesfürsten einberufenen Versammlungen, dann in festeren gesetzlichen Formen. Auch auf diesen Landtagen fehlt die Bauernschaft mit geringfügigen Ausnahmen gänzlich. Wohin man blickt, so faßt Kurt Breysig 3 die „überaus kläglich" verlaufene politische Geschichte des Bauernstandes zusammen, ist er ausgefallen. „ Und auch da, wo er eine erträgliche soziale und wirtschaftliche Position festgehalten hat, finden sich höchstens die allerdürf– tigsten Spuren einer mittelbaren Vertretung." Ebensowenig darf man das „berufsständische" Element in der mittelalterlichen Stadt nach seiner konstruktiven Be- 1 Bühler, Kultur d. Mittelalters, a. a. 0. 160 f. Bezeichnend ist dafür auch das von Jos. Greven (Die Exempla aus den Sermones feriales et communes des Jakob von Vitry, Heidelberg 1914, 17) mitgeteilte Exempel, in dem ein Graf einen ,,reichen Bauern" einem Ritter zum Geschenk macht (13. Jahrhdt.). 2 Kurt Breysig, Die soziale Entwicklung der führenden Völker Europas in der neuen und neuesten Zeit II, in: Schmollers Jahrbuch 21 (1897) 3 ff. 3 a. a. 0. 78.

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