Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 20 - ,.Pfaffenfürsten" des Sachsenspiegels ~ sowie die weitgehende ständische Differenzierung der Kapitel, Stifter und Klöster, die sich nur Angehörigen bestimmter Standesgruppen öffneten, das Ordnungsschema der Laiengesellschaft in die Kirche selbst hinein– trug und so Bindungen schuf, die erst nach Jahrhunderten und nur gewaltsam wieder gelöst werden konnten 1 • Aber auch auf anderen Gebieten war die Aufrechterhaltung der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung zugleich eine Lebensfrage für die Kirche. Auf dieser beruhte die Behauptung und Bewirtschaftung ihres gewaltigen Grundbesitzes 2 ; auf ihr der weitgehende Schutz ihrer Rechte und Freiheiten, den sie vom Ritterstande erwartete, und zu dem sie diesen alsbald auch durch das „sacramentum militiae" und feierliche Weihe verpflichtete. Weil die Aufrecht– erhaltung der wirtschaftlichen Ordnung es erheischte, übte sie in der Frage der Freilassung von Sklaven eine Zurückhaltung 3 , die im frühen Mittelalter, wenn es sich um Kirchensklaven handelte, sogar zu förmlichen Verboten führte, und gab nur zögernd in späterer Zeit den Grundsatz auf, für Ehen von Un– freien die Zustimmung ihrer Herren zu fordern. Auch die Be– schränkungen, mit denen man die Zulassung von Sklaven und Eigenleuten zum Ordens- und Priesterstande umgab, war eben– sosehr von der Rücksichtnahme auf fremde Herrenrechte einge– geben wie von der Besorgnis, den geistlichen Stand selbst herab– zusetzen und ihn unwürdiger Behandlung seitens der Reicheren und Mächtigeren auszuliefern. Besonders anschaulich malen die Lage dieser geistlichen Haussklaven Agobard von Lyon (t 840) und Jonas von Orleans (t 843) aus 4 • Wohl haben demgegenüber bereits die älteren Orden versucht, wenigstens auf kirchlichem Boden dem urchristlichen Freiheits- und Gleichheitsgedanken Raum zu ::;chaffen und den Zutritt allen Ständen offenzuhalten. 1 Dazu A. Werminghoff, Verfassungsgeschichte der deutschen Kirche im Mittelalter, Leipzig und Berlin 1913, 111 ff. 2 Bühler, Kultur des Mittelalters, a. a. 0. 202; Gust. Schnürer, Kirche und Kultur im Mittelalter II, Paderborn 1926, 413 ff. 3 Vgl. Hrabanus Maurus Ep. 30 (MGEp V, 452) mit Berufung auf Can. 3 des Konzils von Gangra (Mitte des 4. Jahrhdts.) ' Agobardus Lugdunensis Ep. 11 (MGEp V, 203); Jonas v. Orleans, De institutione laicali (Migne PL 106, 208 ff.) II c. 20. Zum Ganzen R. W. u. A. J. Carlyle, A history of mediaeval political theory in the west I, Edinburgh and London 1903, 111 ff. und Bede Jarrett, Social theories of the Middle ages 1200 bis 1500, London 1926, 94ff.; Schnürer a.a.O. 1, 196ff.
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