Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 16 - um eine künftige soziale Neuordnung sich erworben hat, groß und bleibend. Sie hat im unermüdlichen Kampfe um Würde und Freiheit der menschlichen Persönlichkeit, um die Wertung der menschlichen Arbeit, um das hohe Ideal eines befriedeten und verantwortungsbewußten Zusammenwirkens aJler Stände und Berufe in einer Volks- und Arbeitsgemeinschaft die abend– ländischen Völker aus ihrer eignen heidnischen Vergangenheit herausgeführt und ihnen zur inneren Überwindung der Zustände geholfen, die das untergehende Römertum auf ihr Gesellschafts– und Wirtschaftsleben übertragen hatte. Dadurch, daß sie die erbarmungslose Härte des Herrschens und Dienens zwar nicht völlig beseitigte, aber doch milderte und brach, die körperliche Arbeit aus der Verachtung, der sie anheimgefalJen war, wieder erhob und mit tiefem Sinn erfüllte, endlich in der Befreiung der christlichen Seele zugleich die kommende Befreiung des ganzen Menschen anbahnte, hat sie die geistigen und sittlichen Voraus– setzungen erst geschaffen, ohne die eine echte berufsständische Ordnung auch heute noch unmöglich wäre. Scheidet man aui diese Weise zwischen dem, was das Mittelalter zu leisten berufen war, und dem, was ihm zu erreichen versagt blieb, so wird dabei vielleicht die eine oder andere liebgewordene Vorstellung fallen müssen. Aber die wahren Verdienste eines trotz aller Schwächen und Schatten großen Zeitalters werden dadurch nicht geschmälert. Und als neuer Gewinn ergibt sich der wertvolle Nachweis, daß der echte berufsständische Gedanke, wie ihn insbesondere seit langem auch die katholische GeseJlschaftslehre vertritt, keines– vvegs rückwärts gerichtet ist und geschichtlich Überholtes wieder künstlich zu neuem Scheinleben erwecken will, sondern im Zuge einer vorwärts gewandten und folgerichtig fortschreitenden Entwicklung liegt.
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