Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 8 - Überzeugung, die das Klassenbewußtsein ewig in Unruhe hält. Die „Organisation des Behagens" hat daher schon W. H. Riehl einmal sehr treffend den Stand genannt, gegenüber der Klasse– als der „Organisation des Unbehagens". 2. Jedes ständische System wird von einem gesellschaft– lichen und zumeist auch wirtschaftlichen Unterbau getragen. Die unbezweifelbare Tatsache, daß auch dieser selbst wieder einem bestimmten Gesellschafts- und Wirtschaftsdenken ent– stammt, kann hier außer Betracht bleiben. Denn sowohl das statisch-ständische Bewußtsein, wie auch die unruhige Dynamik des Klassenressentiments beginnen erst jenseits eir.er in ihren Grundlagen gegebenen Situation, zu der sie sich bejahend oder verneinend einstellen. Um so wichtiger ist die Feststellung, daß jede mögliche und geschichtlich gewordene gesellschaftlich– wirtschaftliche Lage zum Fundament eines ständischen Aufbaus werden kann, und im Ablauf der historischen Entwicklung in größeren oder kleineren Formen wohl auch schon gewesen ist. Sobald eine historisch gewordene Herrschaftssituation zu einer dauernden sich befestigt, in der das Oben- und Untensein, das Stärker- und Schwächersein, das Mehr- oder Wenigersein nicht mefyr fraglich, sondern als selbstverständlich gegeben ist, sind die Voraussetzungen für einen ständischen Aufbau vorhanden. Unter– schiede des Blutes, der Rasse und der Abstammung, Abstufungen durch Macht und Besitz, durch kriegerische Leistungen und poli– tische Führerqualitäten, durch Niveauunterschiede der Kultur und Bildung können sich ebensowohl ständisch ausformen und durch alle erdenklichen Bindekräfte physischer und geistiger Art befestigen, wie ökonomische Ordnungen, die auf dem Zusam– menhang beruflicher Leistungen beruhen. Insbesondere sind die beiden obersten Prinzipien, die durch alle Zeiten hindurch die Struktur der menschlichen Verbände bis zum Staate hinauf bestimmt haben ~ das autoritär-herrschaftliche und das frei– heitlich-genossenschaftliche - auch hier mitbeteiligt und ver– mögen ständische Formgebilde von sehr verschiedener Art und Mischung hervorzubringen. Es erscheint nicht überflüssig, das eigens zu betonen. Denn von vorneherein muß das Mißver– ständnis ferngehalten werden, als ob ständische Gesellschafts– ordnung ohne weiteres mit dieser oder jener einmal dagewesenen Verwirklichung identisch sei. Oder als ob nur dieser oder jener Stand - etwa der Geburts-, Herrschafts- oder Führerstand -
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