Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 6 - sonderungen hinaus jede soziale Gruppe, die der Sprachgebrauch als Stand und als Glied eines ständischen Gesellschaftsbaus be– zeichnet, einem besonderen Gruppentyp zugehört und soziologisch durch zwei Wesensmerkmale sehr klar und eindeutig bestimmt wird. Immer bedeutet „Stand" ein gesichertes „Stehen"; eine Standfestigkeit, die Ruhe und Beharrung verbürgt; eine Lebens– lage und Lebensstellung, die ihrem Wesen nach als stabil und stetig gedacht werden kann - gleichviel, wodurch im einzelnen Falle diese Dauerhaftigkeit bewirkt und erhalten wird. Sehr klar spricht das Thomas von Aquin, wenn auch zunächst nur für die bis auf die Lebensgrundlagen hinabreichenden Stände der persönlichen Freiheit und Unfreiheit, aus 1 . Eine „gewisse Unbeweglichkeit" ist dem Stande eigen, ein „Dauerndes" kon– stituiert ihn, nicht etwas, was dem Menschen nur „äußerlich anhaftet und mit Leichtigkeit sich ändern kann". Aber nicht dieses „Stehen" allein ist für den Stand als soziologisches Gebilde charakteristisch und wesentlich. Sondern Stand bedeutet weiter ein Stehen in einem größeren Ganzen, das zugleich mitanerkannt und mitbejaht, zum mindesten als gegeben und gesollt mit– gedacht und hingenommen wird. Nicht das Fürsichsein, sondern das Gliedsein begründet ihn, und insofern ist Stand allerdings nicht als ein Einzelnes, sondern nur in einer Mehrheit von Ständen denkbar, mag auch, wie nicht selten in primitiven herrschafts– ständischcn Ordnungen, das Ganzheitsbewußtsein der Unter– gebenen sich damit begnügen, in den führenden Ständen mitge– tragen und mitrepräsentiert zu sein. Wo immer ein solches Ganzes sich findet, sei es das menschliche Leben selbst in seinem biologischen Aufbau (Lebensstände), oder einer seiner Teilbezirke (Gese1Jschaft, Wirtschaft, Staat, Kirche), ist daher auch für ständische Ordnung Raum. Es ist, wie Hans Freyer 2 mit Recht hervorgehoben hat, von Wichtigkeit, dem Begriff des Standes diese seine soziolo– gische Struktur als wesentlich und ausschlaggebend zugrunde– zulegen, sie aber nicht mit Merkmalen sekundärer Art zu über– decken. Gewiß wird ständisches Wesen stets auch in einem ständischen Bewußtsein reflektieren, wird aus Abstammung und Beruf ein besonderes Prestige ableiten, in „appropriierten" Rechten und Gerechtsamen sich objektivieren, in einem stän- 1 Summa theol. II, 2, qu. 183 a. 1 Resp . 2 Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, Leipzig u. Berlin 1930, 264 ff.
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