Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

Einleitung. 1. Im Verlaufe des 14. Jahrhunderts tritt in die deutsche Sprache das Wort „Stand" (stand, stant) ein, das den älteren germanischen Sprachstufen nur als Bestandteil zusammenge– setzter Wortformen bekannt gewesen war. In schneller Ausbrei– tung über die verschiedensten Lebensgebiete bezeichnet es sowohl die Handlung des Stehens (standen, stan), wie auch Ort, Art und Umstände, und wird in der letzteren Bedeutung(= Stellung, Zu„stand", Lage) bald vorwiegend auf die Gruppen und Rang– stufen der religiös-kirchlichen oder profan-bürgerlichen Lebens– ordnung angewandt1. Damit stellt sich für eine Sache, die längst da war, und für die dem Lateinischen eine ganze Reihe von Be– zeichnungen zur Verfügung stand (status, conditio, ordo, gradus) endlich auch im deutschen Sprachgebrauch das entsprechende Wort ein. Sicherlich, wie so oft bei sprachlichen Neuschöpfungen, im Gefolge einer beginnenden Reflexion über soziale Tatsachen und Zustände, die breitere Volksschichten bis dahin als gegeben hingenommen hatten, deren Selbstverständlichkeit aber nun– mehr irgendwie problematisch zu werden begann. Dem naheliegenden Versuch, aus der sprachlichen Verwen– dung des Wortes „status" = Stand Rückschlüsse auf seinen Sinn zu ziehen, sind trotzdem ziemlich enge Grenzen gesteckt. Die mittelalterliche Literatur behält nämlich, wie in einem späteren Zusammenhang noch nachzuweisen ist, die Benennung „status" fast durchweg einer besonderen Gruppe ständischer Gebilde vor, und bedient sich für alle anderen der vorhin genannten syno– nymen Bezeichnungen. Umgekehrt muß sich die deutsche Sprache, die erst verhältnismäßig spät in das Schrifttum vor– dringt, mit dem einzigen Ausdruck „Stand" behelfen, um eine übergroße Anzahl der verschiedenartigsten Ständeformen unter– zubringen. Aber gerade in dieser Vereinfachung spiegelt sich wohl auch die richtige Erkenntnis wider, daß über a!Je Be- 1 Jak. u. Wilh. Grimm, Deutsches Wörterbuch, X, 2. Abt. 683ff.

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