Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 97 - stischen Geschichtstheorie Hegels zu Recht besteht, weil neben anderen Elementen, wie Troeltsch 1 einmal sagt, das „ökonomisch– sozial-politische Massiv" für die geistigen Kulturgehalte immer eine grundlegende Bedeutung hat; zweitens, daß es Zeitalter und Umwelten geben kann und gegeben hat, in denen das ökonomische eine solche Vorrangstellung in der subjektiven Wertrangordnung der Menschen eingenommen hat, daß fast alle Gehalte ihres gei– stigen Lebens bloß das Schattenspiel ihrer ökonomischen Interessen sind. Eine solche beschränkte Geltung des historischen Ökonomis– mus haben in bezug auf die kapitalistische Welt Johannes Plenge, Robert Wilbrandt, Ernst Troeltsch, Max und Alfred Weber, Max Seheier, Paul Jostock und viele andere Soziologen zugegeben. Der Theologe hat keinen Grund, die Möglichkeit eines solchen Um– sturzes der Wertungen zu bestreiten. Denn die christliche Anthropo– logie lehrt nicht nur den gottgewollten Primat des menschlichen Geistes über die materiellen Triebe und die historisch-materiellen Verhältnisse, sondern sie lehrt auch die Möglichkeit des Abfalles vom Primat des Geistes. Christliche Ethnologen wie Wilhelm Schmidt und Wilhelm Koppers haben gezeigt, daß es solche „see– lisch eingeschrumpften Zeitalter" (Alfred Weber) nicht erst in der kapitalistischen Neuzeit, sondern schon in der Frühgeschichte ge– geben hat 2 • Aber deshalb darf man nicht, wie Othmar Spann, diesen christlichen Ethnologen vorwerfen, Vertreter des historischen Materialismus zu sein. Denn dieser leugnet die prinzipielle Mög– lichkeit eines freien Überschusses des menschlichen Geistes über seine ökonomisch-soziale Determiniertheit. Selbst in der prophezei– ten klassenlosen Gesellschaft der Zukunft wird nach Marx die „volle und freie Entwicklung jedes Individuums", von der er im „Kapital" und im „ Kommunistischen Manifest" spricht, in den Grenzen bleiben, die auch dann durch die Produktionsverhältnisse unver– meidlich gezogen werden und keinerlei Durchbruchsstellen bieten für die von christlichen Theologen nie zu leugnende empfängliche Schöpferkraft des menschlichen Geistes. Der Theologe könnte daher anstatt vom realen Unterbau und einem bloß ideologischen Überbau eher in der Weise Max Schelers von einer „ Schleusenwirkung" der ökonomisch-sozialen Faktoren 1 Ernst Troeltsch, Der Historismus und seine Probleme. Tübingen 1912, 65, Anm. • Vgl. Wilhelm Koppers, Die Anfänge des menschlichen Gemeinschafts– lebens. München-Gladbach 1921, 154 ff.

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