Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 96 - Wirtschaftsgesellschaft seine immanente Entwicklungstendenz zur diktatorischen Massenlenkung und seine Ohnmacht als sozialer Ordnungsfaktor bewiesen hat, eine leistungsgemeinschaftliche Neu– gliederungder Gesellschaft politisch ermöglicht und gesichert werden? * Den Leser der vorliegenden Schrift Schwers muß es über– raschen, daß hier ein Theologe vom „gesellschaftlich-wirtschaft– lichen Unterbau" und vom „ideologischen Überbau" der mittelalter– lichen Sozialordnung spricht. Kann ein Theologe die marxistische Geschichtstheorie, den sogenannten historischen Materialismus oder besser gesagt: die monistische Geschichtserklärung des ökono– mischen Determinismus vertreten? Das ist von der christlichen Anthropologie her unmöglich; denn sie behauptet den Primat des Geistes, d. h. die Möglichkeit echter sittlicher Werteinsichten und metaphysisch-religiöser Erkenntnisse, die nicht bloß der Reflex ökonomisch-gesellschaftlicher Verhältnisse, sondern originäre Er– fassungen objektiver geistiger Werte und metaphysischer, ja sogar welttranszendenter Wirklichkeiten sind. Für Schwer ist die Rede– weise vom „ideologischen Überbau" und „gesellschaftlich-ökono– mischen Unterbau" nur ein bequemes Bild, wie ja auch für Karl Dunkmann, von dem er die Anwendung dieses Bildes auf sein Thema übernommen hat. Aber es ist für einen Theologen ein gefähr– liches Bild. Seine vorbehaltlose Anwendung ist nur für den Ver– treter der ökonomistischen Geschichtstheorie möglich. Daß Schwer nicht auf diesem Bilde besteht, verrät schon seine Ausdrucksweise, da er einige Zeilen nach dem Zwischentitel „Der ideologische über– bau" von der religiösen „Unte rbauung" der mittelalterlichen Sozialordnung durch die kirchliche Lehre spricht. Allerdings stellt er damit die religiöse Lehre als etwas Sekundäres hin gegenüber dem vorgefundenen Tatbestande des herrschaftsständischen Auf– baues, eben als nachträgliche Unterbauung. Diese Darstellung aber besagt durchaus nicht, was die monistische Geschichtserklärung des ökonomistischen Determinismus der Marxisten besagen will, nämlich, daß Geltung und Gehalt aller weltanschaulichen, wissen– schaftlichen und religiösen Lehrsysteme entscheidend und eindeutig von den dialektisch wechselnden ökonomisch-gesellschaftlichen Ver– hältnissen bestimmt und nichts anderes als deren Spiegelbilder seien. Der Theologe muß dem marxistischen Ökonomismus zweierlei zugestehen: erstens, daß seine Ablehnung der idealistisch-moni-

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