Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters
- 94 - wesentlich Stufenordnung ist1. Der Vorschlag des päpstlichen Rundschreibens meint jedoch, wie Oswald von Nell-Breuning 2 rich– tig sagt, eine Gesamtgliederung „dem genossenschaftlichen Ge– danken gemäß", also nicht eine horizontale, sondern eine vertikale Gliederung der Gesellschaft, bei der keine der neuen Gruppierungen vorgegebene Privilegien oder Herrschaftsrechte über die anderen hat. Daher ist nicht möglich, was Schwer, seine vorher ausge– sprochene Erkenntnis von der Über- und Unterordnung in der Ständegesellschaft wieder verwischend, für möglich gehalten hat, nämlich, es müsse „ständische Ordnung auch im Rahmen freiheitlich– genossenschaftlicher Gesellschaftsstruktur möglkh sein" 3 • Ent– weder horizontale oder vertikale Grundlinien der Gliederung - das ist ein Wesensunterschied zwischen ständischer und leistungsgemein– schaftlicher Sozialordnung. Der Ausdruck „berufsständische Ord– nung" bezeichnet einen Unbegriff. * Bildung und Fortbestand eines leistungsgemeinschaftlich ge– gliederten Sozialkörpers sind nicht möglich ohne den Staat. Es muß ein Staat vorhanden sein, der die freiheitlich-genossenschaft– liche Neugliederung der Gesellschaft nicht hindert, der vielmehr alle in dieser Richtung sich regenden Kräfte fördert und dann den Bestand der großen freien Zusammenschlüsse der im wirtschaftlichen und kulturellen Leistungswettbewerb dem Gesellschaftsganzen dienenden Menschen auch sichert. Mit anderen Worten: Auch die Gesellschaft der Leistungsgemeinschaften muß regiert werden. Zum Regieren gehört Macht. Wer soll sie haben, wenn sie nicht mehr erbständisch reserviert ist? Diese Frage nach der politischen Ermög– lichung und Sicherung der leistungsgemeinschaftlichen Ordnung wird von vielen Theoretikern dieser Ordnung zu leicht genommen. Auch Schwer vermochte nicht, diese Frage in seiner Abhandlung über „Die berufsständische Ordnung als das natürliche Verhältnis von Gesellschaft und Staat" 4 positiv zu beantworten. Er be– schränkte sich darauf, zu sagen, wie das Verhältnis von leistungs– gemeinschaftlicher Gesellschaft und Staat nicht sein solle. Die 1 Steinbach, a. a. 0. 76. 2 Oswald von Nell-Breuning u. Hermann Sacher, Zur christlichen Staats– lehre. Freiburg o. J. (Beiträge zu einem Wörterbuch der Politik, Heft II, 1948) 96. • S. oben S. 9. ' In: Josef van der Velden, Die berufsständische Ordnung. Köln 1932.
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