Aber auch hier gilt das gleiche: Zu spät! Wir hatten eine Volks¬ abstimmung am 25. Juli! (Stürmischer, sich erneuernder Beifall und Händeklatschen.) Und auch an den nachfolgenden Tagen und beim Leichenbegängnis des Führers. Und auf dem Wiener Heldenplatz und seither fast Sonntag für Sonntag, landauf, landein. Keine Gemeinde gibt es, in der nicht der erzene oder steinerne Stimmzettel des Doll¬ fuß=Platzes oder der Dollfuß=Straße, des Dollfuß=Gedächtnisses zu finden ist. Wahrhaftig, nicht von uns arrangiert und gewollt und nicht von uns verschuldet, wurde abgestimmt, mit Blut, mit kostbarem, jedem Österreicher unvergeßlichem Blut. Es gilt, das Ergebnis bleibt: Das freie, nach allen Seiten un¬ abhängige Österreich! (Enthusiastischer, sich immer wiederholender Beifall und Händeklatschen. Das Haus erhebt sich unter fortgesetzten Beifallskundgebungen und Hochrufen. Die Demokratie von gestern Dazu ein anderes, mehr juristisches Argument. Das Programm derer, die die Volksabstimmung bei uns fordern, bekennt sich zur not¬ wendigen Überwindung der parlamentarisch=demokratischen Formen mit der Begründung, daß dieserart weder eine verantwortliche aktive Staatsführung noch auch der wahre Wille des Volkes zum Ausdruck gebracht, beziehungsweise eingesetzt werden könne, eine Argumentation, mit der wir bekanntlich im neuen Österreich durchaus konform gehen. Wenn dem aber so ist, dann ist es unlogisch, die Anwendung dieser so heftig bekämpften Einrichtung, die man eben deshalb bekämpft, weil sie nicht den wahren Volkswillen zum Ausdruck bringen kann, für sich fallweise zu fordern, nur weil man hofft, auf diese Weise einen Vorteil erlangen zu können. (Lebhafte Zustimmung.) Die Formen der parlamen¬ tarischen Demokratie von gestern sind auch bei uns überwunden. Unsere Verfassung sieht die Möglichkeit einer Volksbefragung vor, aber Zeitpunkt, Thema, Art und Begründung werden jene bestimmen, die Öster¬ reich verfassungsmäßig vertreten und die Verant¬ wortung tragen, und das sind wir, die wir hier in diesem Saale beisammen sind. (Stürmischer Beifall.) Die Beziehungen zum Deutschen Reich Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß ist während seiner mehr zweijährigen Amtstätigkeit, bis zu seiner Ermordung, immer als wieder auf diese bedauerliche und unbefriedigende Ent¬ wicklung unserer Beziehungen zum Deutschen Reich zurückgekommen. Ich kann da nur das wiederholen, was Dollfuß ununterbrochen in aller Offentlichkeit sagte: „Die von uns weiß Gott nicht gewollte Spannung erfüllt uns mit ehrlicher 18
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