4. Kapitel Stilveigleich 4.6 Die Ähnlichkeit mit Militär— und Nutzbau ten Die Villen des Gothic Revival, von denen die meisten der bisher genannten Ver gleichsbeispiele ausgehen, und die Country Hauses des viktorianischen Zeitalters wirken nur wie alte Herrensitze, und jene davon mit geschlossenem strengen Grund riß erwecken den Eindruck von Schlössern der Renaissance oder eines schlichten Barock. Schloß Vogelsang dagegen läßt den Betrachter trotz eines Erkers und Fensterbekrönungen in englischer Manier darüber hinaus auch an Kasernenbauten den ken. Ein regelmäßiger, annähernd rechteckiger Grundriß und überhöhte polygonale Ecktürme sind Charakteristika der großen Militärbauten der 50er und 60er Jahre in Wien (Arsenal, Kaiser Franz-Josefs Kaserne, Rudolfskaserne)^®. Diese Assozia tionen mit Kasernenbauten kommt sicher daher, daß diese sich wie die ,,Villa als Burg"^° bewußt derselben Wirkung einer Trutzburg, die Sicherheit wie auch Unein nehmbarkeit vermitteln, bedient. Zu denken geben kann dabei auch der Aspekt, daß gerade die Wiener Kasernen von der Monarchie auch als Schutz vor dem ,,inneren Feind"^^ errichtet wurden. Wenngleich uns nicht bekannt ist, daß Fabriksherr Josef Werndl etwa eine Revo lution unter ,,seinen" Arbeitern fürchten hätte müssen, so kommt einem doch der Gedanke, daß auch die Villa Vogelsang in ihrer imposanten Lage und Gestalt, wenn auch unbewußt, dazu angelegt war, ebensolche Drohgebärden von fast militärisch einschüchternder Art zu vollführen. Für Josef Werndl persönlich waren die Beziehungen zum Militär von entscheiden der Bedeutung^^. Soviel wir wissen, hatte er als junger Mann in Wien während des Militärdienstes zum ersten Mal Gelegenheit, in der modernen Gewehrerzeugung tätig zu sein. Später als Waffenfabrikant sichert das Militär als Hauptabnehmer die Existenz seiner Betriebe. Sein Sohn scheint eine militärische Lauflaahn anzustreben, und Werndl erteilt ihm dazu schließlich seine Zustimmung. Insgesamt steht Werndl allem Militärischen äußerst positiv gegenüber. Der Gedanke an Militärarchitektur kommt dem Betrachter aber wohl über die Ge stalt des Baus. Bezeichnend erscheint mir, daß sich zur Beschreibung der Steyrer Villa auch das heranziehen ließe, was Günter Düriegl über die Rudolfskaserne schreibt: ,,Die bewegte und turmfreudige Dachlinie und reichgestaltete Zinnenkränze bewirken die Auflösung der kubischen Geschlossenheit zugunsten einer starken plas tischen Durchgestaltung des Baukörpers. Dieser Kasernenbau, zweifellos eine Spät form des romantischen Historismus, weist somit bereits in die folgende Stilphase. Ahnlich wichtig ist also auch hier der Dachbereich, anders ist natürlich die viel we niger starke Plastizität des Baukörpers des Steyrer Objekts. Es werden sich zwar
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