Kapitel 4 Schloß Vogelsang im Stilvergleich 4.1 Zu Beginn: Renate Wagner—Rieger Schloß Vogelsang wurde zu einer Zeit gebaut, die Renate Wagner-Rieger als den Ubergang vom Strengen Historismus zum Späthistorismus erkenntd. Doch Schloß Vogelsang entspricht keiner dieser beiden Phasen. Folgt man Wagner-Riegers Theo rie, so ist dabei natürlich zunächst zu bedenken, daß sie diese im besonderen für den Wiener Historismus entwickelte. Es ist daher nicht von vornherein zu erwarten, daß der Steyrer Bau sich so einfach in eine von ihr dort konstatierte Entwicklung ein ordnen ließe. Trotzdem ist es bemerkenswert, daß bei Schloß Vogelsang nichts an die Wirkung der Bauten des Späthistorismus als amorphe, plastisch formbare Massen mit beweg ter, schwingender Oberfläche denken läßt, die in Wien in den späten 70er Jahren in Mode kommen. In Wien war der Strenge Historismus — und deshalb wählte Wagner-Rieger diesen Begriff — vom Prinzip der genauen Stilnachahmung geprägt. Als Beispiel für das Trachten nach unverfälschter Übernahme der Stilvorbilder der Vergangenheit kann das Neue Rathaus in Wien dienen, das in der für uns interessanten Zeit in Bau war. Friedrich von Schmidt folgt darin ausdrücklich dem Vorbild der nordischen Spätgotik (besonders gut läßt sich das Rathaus von Brüssel zum Vergleich heranziehen)^ in dem Bestreben, den Bau mit möglichst vielen damals mit dem gewählten Stil asso ziierten Bedeutungen auszustatten. Mir scheint zwar auch die Steyrer Villa Bedeutungen zu transportieren, jedoch ohne den Intentionen des Wiener Strengen Historismus zu folgen. Es läßt sich in der Baukunst der Gotik sicher kein Bauwerk aufspüren, von dem sich nachweisen ließe.
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