3. Kapitel Beschreibung 20 (Siehe Kapitel 1, S. 3); es kann sein, daß bei dieser Versteigerung auch Stücke der Erstausstattung veräußert wurden. Heute ist jedenfalls kein einziges Möbelstück einer der alten Ausstattungen von Schloß Vogelsang mehr dort erhalten. So muß ich mich auf die Betrachtung der innenarchitektonischen Gestaltung des Stiegenhauses (Wände, Fußböden, Decke) und einiger weniger Räume beschränken. Im Stiegenhaus und in den Gängen bestimmt der gleichzeitige Einsatz von Tudorgotikelementen und allgemein gotisierenden bzw. altertümelnden Formen einer seits und typisch gründerzeitlichen, dem Barock und der Renaissance entlehnten, Prunkformen andererseits das Bild. Eine solche Prunkform ist das Geländer der Treppe und des sie umlaufenden Stiegenhauses im 1. Stock (Abb. 30). Es ist aus graugeädertem Marmor mit einem breiten Handlauf über dichtstehenden Balustern. Die einzelnen ,,Joche" des Stiegenhauses im Erdgeschoß und im 1. Stock täuschen mit seichten Tudorbögen an der Decke ein flaches Kreuzrippengewölbe vor. Als Schlußstein fungiert eine kleine, etwas hängende Phantasieblüte. Die Tafeln der Kasettendecke des Vestibüls (Abb. 31) zeigen ebenfalls eine große Phantasieblume in der Mitte auf blauem Grund, umgeben von geometrischen und Rankenmustern in den Ecken. Sie sind quadratisch und um ein großes Feld in der Mitte gruppiert, auf dem eine große Blume aus Gips, von arkanthusartigen Blättern umringt, prangt (Abb. 32). Auch an den Eckpunkten der Felderrahmungen sind plastische Blüten angebracht. Die Füllornamentik scheint eine freie Nachbildung römischer bzw. Renaissance-Flachornamente^® zu sein, wobei aber die Kombina tion floraler und geometrischer Formen in den Quadratfeldern eine historistische Eigenschöpfung darstellt. Die Gesamtwirkung der Decke ist eine sehr bunte. Zwischen weiß und beige, Ton in Ton bleibend, ist die übrige Gestaltung des Stie genhauses farbig zurückhaltend. Nur die Fußbodenfliesen (Abb. 33 und 34) ha ben ein farbiges Muster. Die Türen (Abb. 35) werden von eckigen dienstartigen Säulchen gerahmt und von einer Art Gesims mit 3 kapitellartigen Gebilden und Zinnen dazwischen bekrönt. Zwischem 1. und 2. Stock läuft im Treppenhaus ein Fries (Abb. 36) rundum, dessen hochgestellte arkanthusähnliche Blätter in der Form den Gipsblättern der Vestibüldecke ähneln. Die Pfeiler und Pilaster im Erdgeschoß und im 1. Stock sind aus beigem, hellbraun geädertem Stein. Die Pilaster des Dachgeschoßes darüber sind gemauert und stehen einzeln oder doppelt zwischen den Fenstern und Blendnischen, deren Tudorbögen nur mehr leicht angedeutet sind (Abb. 37 und 38). Die Pilaster, auch die geknickten im Eck, tragen an Stelle eines Kapitells eine kleine Rosette^®. Darüber läuft über einer einfachen Simsleiste ein kräftiges Konsolgesims rundum, und ganz oben, wieder über einer schlichten Sims leiste, zieren abwechselnd verschiedene Arten von Rankenmotiven eine Hohlkehle (Abb. 39). Diese Blattranken sind Weinreben ähnlich, nur sind die Blätter schmäler und krautiger^" und nur jede zweite trägt Trauben. Sie sind das am stärksten italianisierende Ornament der Ausstattung^^.
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