Das Land ob der Enns

II. Die Baiern. 59 Für die Annahme von Sippensiedlungen läßt sich ferner der in baierischen Landen mehrfach begegnende Ortsname Neufahrn geltend machen^). Riezler deutet ihn von fara Geschlecht (vgl. Vor-, Nach fahren) als ,neue Sippen' und lehnt die Erklärung als ,neue Überfuhr stellen' mit dem Hinweis auf die Tatsache ab, daß ein großer Teil dieser Ortschaften nicht an einem Wasser liegt, wo eine Fähre denkbar wäre^. Für Riezlers Deutung spricht auch der Umstand, daß alle Dörfer, die meisten sogar Pfarrdörfer sind. Die zwei in Oberösterreich(Gem. Marchtrenk) und Salzburg(Gem. Köstendorf) vorkommenden Neufahrn liegen überdies in Gegenden, die zweifellos schon in römischer Zeit besiedelt waren; vielleicht trifft das auch bei anderen zu. Einen PN. Niufar belegt Förstemann nicht, und hätte es ihn trotz dem gegeben, so wäre er so selten, daß man das mehrfache Vorkommen eines davon gebildeten Ortsnamens auf verhältnismäßig beschränktem Räume nicht erklären könnte®). Für die von Dopsch angefochtene Annahme von Sippensiedlungen lassen sich also gewichtige Gründe vorbringen. Es ist auch von vorn herein nicht einzusehen, warum eine solche Form der Landnahme gerade bei den Baiern ausgeschlossen sein sollte, wenn sie bei den anderen Ger manen, z. B. den Goten, Rugiern und Langobarden, wie Dopsch selbst auseinandersetzt^), durchaus zu beobachten ist. Ferner scheint mir auch die Tatsache wichtig, daß die Bande der ,Freundschaft', wie bei uns der Sippenverband seit alters heißt, besonders im Bauernvolke auch heute noch sehr stark sind. Man wird sich also in jenen Zeiten der ersten Landnahme, wo das Natürliche noch viel elementarer und darum herdenhafter war, nicht leicht getrennt haben, als man den Fuß auf fremden Boden setzte. Über die Hundertschaften hat schon Riezler bemerkt, sie seien in Baiern nicht nachweisbar®). Dagegen scheint mir H. Reutters Anschauung, wonach dies auch für die fränkische Zeit gelte, nicht richtig zu sein. Bekanntlich bildeten nach Rübel je 10 Hufen eine Dekanie, je 100 Hufen eine Zentene. Die etwa vor Vollendung der Zentenalabmarkung zugezogenen Ansiedler oder die über die vorhandene Hufenzahl erschienenen Kolonisten mußten als Anwärter auf Landbesitz, hagustaldi, warten, bis neue Zentenen gebildet waren®). Je eine Zentene stand unter einem Centenarius. Die hessischen Neufahrn hält Arnold, S. 56, nur zögernd für deutsch, da sie alle Im altkeltlschen Gebiet lägen. Die Ortsnamen der Münchener Gegend, München 1887, S. 29,_und Die bayerischen und schwäbischen Ortsnamen auf -Ing und -Ingen als historische Zeugnisse, München 1909, S. 38f., Anm. 3) Auf den In der Gegend von Baden bei Wien gelegenen Ort Gainfahrn, 12. Jahrh. Golnvarln (FG.' I, 1077; II, 1535), vom PN. Gundlfar (FP.^ 700) kann man sich nicht berufen, well er einer viel jüngeren Schicht angehört. *) A. a. O., S. 198, 202. ®) Die Ortsnamen auf -Ing, S. 12, Anm. 1. «) Nach Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzelt, S. 331 f., ■ wäre an Klelnhäusler oder noch wahrscheinlicher an unbehauste Arbeltsleute Im Gegensatze zu den casatl zu denken.

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