Die mittelalterlichen Stiftsurbare des Erzherzogtums Österreich ob der Enns I

Augustiner-Chorherrenstift Ranshofen. 283 Das Kopialbuch D stellt eine verbesserte Fassung von C dar. Es ist 25 Jahre nach diesem geschrieben worden; der Propst hatte mittlerweile gefunden, daß eine Ordnung der Urkundenabschriften nach den Ausstellern praktischer sei. Er wünschte das neue Kopialbuch übersichtlicher (compendiosius). Dies erfahren wir aus seinem Vorwort zur zweiten Redaktion. Einer neuen Aufzeichnung des Stiftsbesitzes, wie sie in B vorliegt, ist darin nicht gedacht. Entweder waren B und D nicht mehr so als Einheit aufgefaßt wie A und C, oder die Revision des Urbars war der des Kopialbuches vorausgegangen, beziehungsweise erst gefolgt. Es ist kein Zweifel, daß auch B eine im Sinne größerer Übersicht¬ lichkeit vorgenommene Redaktion von A war. A enthält im wesentlichen nur Grunddienste, zumeist in Geld. Ent¬ weder hatte man nun ursprünglich überhaupt nur diese zusammenzustellen beabsichtigt oder ein Urbar geplant, das nach Ämtern und zugleich nach der Art der Dienste gegliedert sein sollte. Die Wahrscheinlichkeit spricht für letzteres. Man sah dann offenbar ein, wie dieses breitspurige Verfahren die Über¬ sicht in keiner Weise zu fördern geeignet war, sondern sie zerstören mußte. So gab man diesen Plan nach Abschluß der ersten Abteilung (Grunddienste) auf und ging an die Abfassung eines neuen Urbars, das innerhalb der ein¬ zelnen Ämter sämtliche Dienste vereinigte. Da in B die datierten Nachträge von A aus den Jahren 1278—1303 bereits von erster Hand verzeichnet sind, so ist kein Zweifel, daß die Ab¬ fassung von B der des Kopialbuches D zeitlich sehr nahe steht. Man wird es aber vielleicht das zweite Mal für den praktischen Gebrauch nützlicher gefunden haben, Urbar und Kopialbuch nicht zusammenzuheften. Auf diese Weise erklärt es sich am ungezwungensten, daß das Vorwort zu D nicht mehr wie das zu C des Urbars gedenkt. Die Tatsache, daß heute alle vier Teile vereinigt sind, spricht nicht dagegen, dafür der Umstand, daß D Kustoden aufweist, B aber nicht. Da sie sich, zeitlich einander nahestehend und unter gleichen äußeren Be¬ dingungen entstanden, in Format und Einrichtung völlig glichen, mag man sie zu einer Zeit, da sie praktisch nicht mehr verwendet wurden, zu¬ sammengebunden haben, vermutlich im 17. Jahrhundert, aus dem die erste durchgehende Foliierung stammt. Damals dürfte auch die Unordnung in der Reihenfolge der Blätter entstanden sein, die sich heute aus einer genaueren Untersuchung der beiden Kopialbitcher ergibt, die indes die Urbare nicht berührt. Es fragt sich nur noch, was die verlorene erste Lage des Urbars A enthalten habe. Aus einer Vergleichung von A mit B geht mit größter Wahrscheinlichkeit hervor, daß auf diesen Blättern der Besitz an Burg¬ rechten in Niederösterreich und die zahlreichen Güter im Amte Neukirchen

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2