20. Sängerbundfest Steyr 1978

Die barocke Baulust fand besonders in den Stiften Garsten und Gleink sowie in der Kirche zu Christkind! ihren augenfälligen Ausdruck. Auch die Dominikaner kirche bekam in dieser Zeit ihr jetziges Antlitz und die Michaelerkirche schritt ihrer Vollendung entgegen. Die wehrhafte mittelalterliche Styraburg, die dem großen Stadtbrand von 1727 zum Opfer gefallen war, wurde von den nunmehrigen Herrschaftsinhabern, den Grafen Lemberg, durch ein repräsentatives Barock schloß ersetzt. 1765 wurde der Umbau des Steyrer Rat hauses in Angriff genommen; bis 1778 entstand hier eines der schönsten Rokokohäuser Österreichs. In der Zeit Josefs II. wurde das Stift Gleink, das Kloster der Zölestinerinnen in Steyr, das Kloster der Dominikaner, das der Kapuziner und die alte Stiftung der Otakare in Garsten aufgelöst. In der ehemaligen Niederlassung der Zölestinerinnen wurde ein Theater eingerichtet. Mit mehreren Renovierungen stand dieses Gebäude bis 1958 für diesen Zweck in Verwendung und wird im Festjähr 1980 nach einer Revitalisierung wieder für Schauspiele zur Verfügung stehen. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war der Liederfürst Franz Schubert mehrmals Gast in Steyr, dies in Begleitung des Hofopernsängers Joh. Michael Vogl, der 1768 in Steyr geboren wurde. Ein in Steyr geborener, berühmter Zeitgenosse Schuberts war Franz Xaver Pritz. In seinen umfangreichen Werken behan delte er die Geschichte des Landes ob der Enns und die der seiner Heimatstadt Steyr. 1837 war Franz Xaver Pritz der erste Ehrenbürger der Stadt. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts wirkten für kurze Zeit namhafte Dichter in unserer Stadt, so 1843 Franz Stelzhamer und 1861 als Schauspieler Ludwig Anzengruber. Längere Aufenthalte nahm Adalbert Stifter, der schon als Student in Steyr weilte, um als Schulinspektor wieder hierher zu kommen. Der Tondichter Anton Bruckner war von 1843 bis 1845 Schulgehilfe im benachbarten Kronstorf. In diese Zeit fallen seine ersten Besuche in der Stadt Steyr. In den Sommermonaten der Jahre 1886 bis 1894 war er Gast im Pfarrhof und schrieb auch hier an seinen großen symphonischen Werken. Zwei Jahre nach seinem Tode bekam er in Steyr sein erstes Denk mal. Mit der Dichterin Enrica von Handel-Mazzetti kommen wir schon ins 20. Jahrhundert. Sie nahm von 1905 bis 1911 in Steyr Aufenthalt und schrieb hier das ,,Deutsche Recht", „Die arme Margaret" und die Trilogie ,,Stephane Schwertner". Das Mäzenatentum der früheren Jahrhunderte durch den freigebigen Adel und durch die aufgeschlossene Bürgerschaft besteht heute nicht mehr; doch in der Eisenstadt Steyr wirken auch heute noch eine nicht geringe Anzahl von Vereinen, Musikensembles und Chören, die die reiche kulturelle Tradition pflegen. Die Funktion, diese Bestrebungen zu fördern, hat vor allem die öffentliche Hand über nommen. Ich hoffe, daß die Teilnehmer am diesjährigen Sänger bundesfest und die Gäste, die aus diesem Anlaß nach Steyr gekommen sind, sich den Worten von Franz Schubert aus seinem Steyrer Tagebuch anschließen können: „In Steyr hab' ich mich und werd' ich mich noch sehr gut unterhalten". 14

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