Schule und Klerikalismus von Otto Glöckel

9 brauchten keine so weitreichende Bildung. In Wahrheit wird dadurch der schändlichen erwerbsmäßigen Kinderarbeit, durch die schon aus den zarten Händen der in vollster geistiger und körperlicher Entwicklung stehenden Kindern Profite herausgepreßt werden, Vorschub geleistet. Gerade der Bauer bedarf dringend umfassender Bildung, er soll nicht ausschließlich in der verdummenden Lektüre des „heiligen Kalenders“ oder gar des „Bonifaziusblattes“ seine geistige Befriedigung finden. Eltern! Wereuch die sechsjährige Schul¬ pflichtanpreist, der meint es nicht gut mit euren Kindern, der ist ein Rückschrittler, mögen es nun die christlichsozialen Abgeordneten Jedek und Stöckler, die im Abgeordnetenhaus einen solchen Antrag einbrachten, oder der „freiheitliche" Dr. Stein¬ wender sein! Die Sozialdemokraten treten für die volle acht¬ jährige Schulpflicht, für praktische Fort¬ bildungsschulen ein, sie verwerfen jede Form der Schulbesuchserleichterungen. Lernfähige Kinder sollen die Schule besuchen. Wie sollen Kinder, die ohne genügend warmer Kleidung den Härten des Winters aus¬ gesetzt sind und oft einen stundenweiten Schulweg täglich zweimal zurückzulegen haben, dem Unterricht mit Nutzen folgen können? Sie müssen erst „auftauen“ dann schlafen sie vor Müdigkeit ein. Die Schule wird zur Stätte der Er¬ holung. Viele Kinder kommen hungrig zur Schule, wie soll der Kopf arbeiten, wenn ihn der Magen daran hindert? Für die Kinder des Proletariats ist gar oft die „goldene Jugendzeit“ eine bittere Phrase! Wir haben in Oesterreich keine arbeitenden Mönche, keine darbende Geistlichkeit, für diese Stände ist reichlich gesorgt, dafür können wir auf ar¬ beitende und darbende Kinder verweisen!

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