Schule und Klerikalismus von Otto Glöckel

8 richt versäumen, als entschuldigt anzusehen sind. Graf Stürgkh rührt sich nicht, die deutschfreiheitliche Regierungs¬ partei steckt jede klerikale Frechheit ruhig ein! Schulbehörden und bischöfliches Konsistorium. Nach dem Gesetze bedürfen die Schulbücher der Ge¬ nehmigung der Schulbehörden. Heute wird jedes weltliche Lehrbuch, bevor es von der Schulbehörde approbiert wird, dem Bischof zur Begutachtung unterbreitet. Es mag noch so gut durchdacht sein, erfreut sich das Buch oder dessen Ver¬ fasser nicht der bischöflichen Gunst, darf es den Schülern nicht in die Hand gegeben werden. Jetzt ist es begreiflich, wenn das Lesebuch mit heuchlerischen, frömmelnden Lese¬ stücken vollgepfropft ist, wenn es Lebensbeschreibungen von Heiligen und anderes unnützes Zeug enthält. Die achtjährige Schulpflicht war stets den Klerikalen ein Dorn im Auge. Ihrem Wühlen ist es zu verdanken, daß die verschiedensten Arten so¬ genannter Schulbesuchserleichterungen“ eingeführt wurden, die alle darauf hinauslaufen, die Unterrichtszeit zu be¬ schränken. Insbesondere fürchten die frommen Herren den Einfluß des Lehrers bei dem dreizehn= und vierzehnjährigen Kinde. In diesem Alter ist der Schüler geistig reifer ge¬ worden, es können in der Schule schon Lehrstoffe behandelt werden, die zum selbständigen Denken anregen, Dinge, die den Klerikalen nicht recht passen. Die Predigt und die Christenlehre genügt nach ihrer Meinung vollständig. Es ist bezeichnend, daß der deutschfreiheitliche Abgeordnete Dr. Steinwender für Kärnten eine Schulreform empfahl, die nur eine sechsjährige regelmäßige Schulpflicht vorsieht. Ihm stehen dieselben Argumente wie den Klerikalen zur Verfügung: Die Kinder müßten auf dem Felde den Eltern helfen, die „Landflucht“ könne nur auf diese Art eingedämmt werden, die Bewohner der Dörfer und Märkte

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