Schule und Klerikalismus von Otto Glöckel

7 entrichteten; in Atzgersdorf (Niederösterreich) erklärte der Bürgerschuldirektor, daß jenen Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kirche schicken, die elterliche Gewalt entzogen würde; eine lächerlich dumme, aber sehr bezeichnende Drohung! In Chodau (Böhmen) läßt ein Vater seinen Sohn im Winter nicht in die Kirche gehen, weil das Kind keine warmen Winterkleider besitzt. Die Folge davon ist, daß das Kind aus Religion „ungenügend“ erhält und daher nicht in die Bürgerschule aufgenommen wird, trotzdem es ein braver und fähiger Schüler ist. Und dies alles trotz der strikten Erklärung Doktor Marchets, trotz des klaren Wortlautes des Gesetzes! Von allen diesen Fällen ist Graf Stürgkh genau unterrichtet, er schweigt beharrlich und die deutsch,freiheitlichen" Parteien buhlen weiter um die Gunst einer Regierung, die unsere deutsche Schule bewußt den klerikalen Volksfeinden aus¬ liefert, einer Regierung, die auf dem Umweg der Verwal¬ tung die Konkordatsschule wieder erstehen läßt! Die Schulklassen sind überfüllt, ein Drittel aller Schulen ist ein= bis dreiklassig, über 5 Millionen Leute gibt es in Oesterreich, die weder lesen noch schreiben können: all diese schandbaren Zustände kümmern den Unterichts¬ minister nicht, er hat andere Sorgen, er denkt an die An¬ zahl der während der Schulzeit zu erwerbenden Beichtzettel, er will die Leute mit Pfändungserkenntnissen „katholisch“ machen! Jeder Vater, jede Mutter entscheide selbst, ob sie die religiösen Uebungen für ihre Kinder für notwendig halten; der Zwang zu den religiösen Uebungen ist nicht nur ungesetzlich, sondern auch unsittlich, er wird stets auf den schärfsten Widerstand der Sozialdemokraten stoßen. Anstatt in der Schule lernen — in der Kirche ministrieren! Im Mai 1909 verfügt der oberösterreichische Landes¬ schulrat, daß Kinder, die wegen Ministrierens den Unter¬

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