Schule und Klerikalismus von Otto Glöckel

6.— Vor einigen Jahren konnten die Bischöfe schon er¬ klären, daß die religiösen Uebungen einen Teil des Reli¬ gionsunterrichtes bilden, wovon sie die Verpflichtung ab¬ leiteten, daß jedes katholische Schulkind zur Teilnahme an den religiösen Uebungen gezwungen werden könne. In Beantwortung einer Interpellation trat der liberale Unterrichtsminister Dr. Marchet am 28. Jänner 1907 mutig den Rückzug an. Er erklärte: .... daß die Anwendung von Strafmitteln gegen Eltern vom Standpunkte der bestehenden Gesetze aus jedenfalls als eine be¬ strittene bezeichnet werden muß. Er werde bis zur Austragung der Sache die unterstellten Behörden anweisen, keine Amtshandlungen durchzuführen. Nun war also die Frage eine „bestrittene“ geworden! Marchet wird von dem „freiheitlichen" Grafen Stürgkh abgelöst. Dieser betrachtet sich vom ersten Augenblick an als den Geschäftsträger der Bischöfe, er duldet stillschweigend jeden klerikalen Uebergriff, ist er doch sicher, daß ihm die deutschen Regierungsparteien nicht ein Härchen krümmen werden. Wohl wagte er bis heute nicht, das Staatsgrund¬ gesetz in sein Gegenteil zu verkehren, er treibt passive Resistenz und läßt Hunderte von Rekursen in seiner Lade unerledigt liegen; für die Klerikalen hat er kein Wort leifesten Tadels, er stört ihre Kreise nicht. Es ist bezeichnend, wie gewissenlos in dieser Frage die Katecheten vorgehen. Sie setzen die Note aus dem Unterrichtsgegenstand „Religion“ herab, ja der Bischof von Leitmeritz weist die Katecheten an, jedes Kind, das, dem Gebote seiner Eltern Folge leistend, an den religiösen Uebungen nicht teilnimmt, in Religion mit „ungenügend“ zu klassifizieren! Es wird also nicht das Wissen des Kindes, sondern ausschließlich der Kirchenbesuch be¬ urteilt. Andere Katecheten verschlechtern gar die Sitten¬ note! In Weyr (Oberösterreich) werden Eltern gepfändet, weil sie die ungesetzlichen Kirchenversäumnisstrafen nicht

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